SGK300 - Die Gedankenmörder kommen
Explosion in Bert Coovers Wohnung war Wirklichkeit gewesen. Er
hatte dabei etwas abbekommen und war während dieser Bewußtlosigkeit auf bis
jetzt noch ungeklärte Weise in die Hände seiner unbekannten Gegner gelangt.
Auf dem Flug nach Irgendwo kam er hin und wieder zu sich, ohne
seine wahre Lage jedoch zu begreifen.
Hundertprozentig sicher, daß er auch das, was er jetzt dachte und
fühlte, mit einigermaßen wachen Sinnen wahrnahm, war er sich noch immer nicht.
Sein Kopf fühlte sich schwer an, wie ein Fremdkörper, der zwischen
seinen Schultern emporragte.
Iwan ging davon aus, daß er Wirklichkeit registrierte, daß er aus
einem unerklärlichen Grund wach geworden war.
Entweder man hatte die Dosis der Injektion falsch berechnet, oder
sein Körper wurde unerwarteterweise mit dem Gift
besser fertig, als man hatte annehmen können.
Iwan räusperte sich leise und wartete ab.
In der Dunkelheit, die ihn umgab, blieb alles still. Demnach gab
es keinen Bewacher für ihn ...
Der PSA-Agent versuchte sich aufzurichten. Ledergurte, die über
Brust und Oberschenkel gespannt waren, hinderten ihn daran. Auch seine Hände
steckten in Schlaufen.
Der Russe atmete tief durch.
Er war einer jener Menschen, die aus besonderem Holz geschnitzt
waren, die erst dann ihre volle Leistung entfalteten, wenn sie wirklich
gefordert wurden. Und diese Situation war eine Herausforderung. Iwan
Kunaritschew begann mit der systematischen Kleinarbeit seiner Befreiung.
Solange ihn niemand beobachtete, solange er offenbar allein in der
Dunkelheit lag, brauchte er keine Rücksicht auf eine mögliche Entdeckung zu
nehmen. Seine Gegner wähnten sich ihrer Sache offenbar ziemlich sicher.
Die Gurte waren fest, aber nicht straff.
Sie sollten nur den Zweck erfüllen, ihn in seiner
Bewegungsfreiheit einzuschränken. Niemand hatte mit dem Gedanken gespielt, daß
er die Gelegenheit fand, einen Befreiungsversuch zu unternehmen.
Kunaritschew zog ruckartig an den Gurten und ließ wieder los.
Immer wieder spannte er seine Muskeln aufs äußerste an, entspannte und bewirkte
auf diese Weise eine Lockerung der Handfesseln. Er wußte später nicht mehr zu
sagen, wieviel Zeit sein Befreiungsversuch in Anspruch genommen hatte.
Plötzlich war der Druck auf seinem linken Handgelenk geringer.
Verbissen verstärkte der Russe seine Anstrengungen.
Mit einem scharfen, entschiedenen Ruck schließlich schaffte er den
Durchbruch.
Seine linke Hand war frei.
In der Dunkelheit rings um ihn herum war noch immer alles ruhig.
Es kam auch niemand, um nach ihm zu sehen.
Entweder war tiefe Nacht und jedermann schlief oder »Anne« und
»Jerome« waren anderweitig beschäftigt.
Der Rest war für Iwan Kunaritschew ein Kinderspiel.
Nachdem eine Hand frei war, dauerte es nur noch wenige Minuten,
bis er den Gurt auch vom Handgelenk der Rechten gestreift hatte und sich von
den beiden Riemen quer über seinen Körper lösen konnte.
Aufatmend tastete er sich an seinem Bett entlang. Er mußte
höllisch aufpassen, wußte er doch nichts von seiner Umgebung. In tiefer
Bewußtlosigkeit war er hierher gebracht worden.
Instinktiv erfolgte der Griff zur Schulterhalfter. Natürlich hatte
man ihm die Waffe abgenommen. Und nicht nur sie.
Auch seine Armbanduhr fehlte, so daß er sich nicht darüber
informieren konnte, welcher Tag und wie spät es war . Sein Jackett fehlte. Darin steckte sein Zigarettenetui.
Vorsichtig streckte er die Hand aus und ertastete die Wand hinter
dem Kopfende seines Bettes. Er fühlte die glatte Oberfläche der Tapete.
Es war so finster, daß er nicht die Hand vor Augen sah, und dies
machte sein Unternehmen so riskant. Jeden Augenblick konnte er in dieser ihm
unbekannten Umgebung gegen etwas stoßen und damit blitzartig seine Gegner auf
den Plan rufen.
Genau dies wäre aber tödlich.
Er war im Moment noch so frei wie ein Löwe im Käfig, konnte diese
Freiheit aber möglicherweise ausbauen, wenn er mehr über seinen Aufenthaltsort
in Erfahrung brachte.
Kunaritschew behielt die Wand im Rücken und schob sich dann
zentimeterweise an ihr entlang und in die Dunkelheit hinein. Er ließ seine Hand
wie einen Fühler in mittlerer Höhe über die Wand gleiten, um ein eventuelles
Hindernis sofort feststellen zu können.
Er fand den Lichtschalter, berührte ihn aber nicht. Wenn plötzlich
hier Licht anging, würde dies unter Umständen ein verräterisches Zeichen sein.
Seine Lage war noch keineswegs so gefestigt, daß er sich
irgendwelche Nachlässigkeiten erlauben
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