SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
war der
Mord an Dupont entdeckt worden, und seitdem hielten sich Polizisten und
Kriminalbeamte am Tatort in der Rue Morgue auf. Morna hätte also unmöglich
unbemerkt in Duponts Wohnung eindringen können, um ihr in der letzten Nacht
abgebrochenes Gespräch fortzusetzen.
Dies hatte unwillkürlich einen weiteren
Schluß zur Folge.
Hatte Morna doch etwas mit dem Mord an Dupont
zu tun?
Es gab zu viele merkwürdige Faktoren, die
X-RAY-3 berücksichtigen mußte. Nichts war in diesem seltsamen Fall unmöglich.
»Wie viele Leute haben Sie inzwischen
befragt, Poulain?« wollte Larry Brent wissen, während er einen Rundgang durch
die Wohnung des Toten machte und einen Blick durch die fadenscheinigen Vorhänge
auf die Straße warf.
»Alle im Haus. Das waren siebzehn Leute. Und
die gesamte Nachbarschaft. Inzwischen fast sechzig Zeugenaussagen. Alle negativ
...«
Larry wollte sich wieder vom Fenster wenden,
als er plötzlich zusammenfuhr.
»Auch die Leute da drüben, im Haus genau
gegenüber, Poulain?« fragte er plötzlich.
Der Angesprochene tauchte neben ihm auf. »Ja,
selbstverständlich.«
»Merkwürdig.«
»Was finden Sie daran so merkwürdig, Monsieur
Brent?«
»Ach, nichts, es war nur so ein Gedanke ...«,
sagte X-RAY-3 abwesend, und es fiel ihm ein, daß die Leute gegenüber die
Tofflaines waren.
Die dunkelhaarige, grazile Frau mit dem
ebenmäßigen Gesicht einer griechischen Göttin, war Josephine Tofflaine. Sie
stand am Fenster und blickte hinunter auf die Menschenansammlung in der
düsteren, engen Straße.
Morna hatte sich vergebens bemüht, die
Freundin zu treffen, war in deren unverschlossener Wohnung gewesen - und dort
dem Geist eines Verstorbenen begegnet.
Larry Brent beschloß, Josephine Tofflaine
einen Besuch abzustatten ...
*
Sie befand sich auf einer Grenze zwischen
Wachsein und Schlafen.
Sie wußte nicht, wo sie sich befand, was
geschehen war, und zermarterte ihr fieberndes Hirn, um eine Lösung ihrer
Probleme zu finden.
Süßer Schlaf... ihre Glieder fühlten sich
schwer wie Blei an. Sie wollte am liebsten liegen bleiben, nichts mehr tun,
nicht nachdenken müssen.
Aber sie wußte, daß Nachdenken wichtig war,
daß es ihre Situation durchleuchtete und klärte ...
Sie zwang sich dazu, nicht wieder in die
finstere Nacht zurückzufallen, in das Vergessen, aus dem sie langsam
emportauchte.
Und so gelang es ihr schließlich, die
bleischweren Augenlider zu heben.
Die Dunkelheit blieb.
Was war los? Stimmte etwas mit ihren Augen
nicht?
Morna Ulbrandson riß sie ganz weit auf.
Sie konnte nicht sehen, und auch ihre
Gefühlsskala war eingeengt.
Je wacher ihr Geist wurde, desto klarer wurde
ihr Zustand, in dem sie sich befand.
Sie lag gefesselt und geknebelt in einem
dunklen Raum, in den durch keine Ritze im Fenster oder in einer Tür ein
Lichtstrahl sickerte.
Wie kam sie hierher?
Ihre Gedanken wurden hektischer, sie war
nervöser.
Die Begegnung mit Josephine und Pierre
Tofflaine ... der Tod des Malers im Hotelzimmer. Josephine und ihr Vater... die
Warnung, abzureisen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Dann war sie aufgewacht und mußte zu ihrem
Entsetzen feststellen, daß ein Teil des Traumes jener unruhigen Nacht auf
wirkliche Ereignisse zurückging, die sie jedoch wie in einer Betäubung
miterlebt hatte.
Das verwüstete Hotelzimmer... die zerrissenen
Tapeten und Gardinen, die demolierten Möbel... die verschmierten Wände und das
verschmutzte Waschbecken im Bad ... schwarz von Farbe, mit der man ihre blonden
Haare bearbeitet hatte.
X-GIRL-C hatte es erst nicht wahrhaben
wollen, aber dann war die Entdeckung zur Gewißheit geworden.
In der Nacht waren unheimliche Wesen in ihrem
Zimmer zu Gast gewesen, hatten sie attackiert.
Sie hatte die Phantome also mit eigenen Augen
gesehen.
Was aber war mit dem Erdolchten in der
Badewanne?
Sie hatte ihn nirgends finden können, auch
alle Spuren des Verbrechens waren getilgt - ein Verbrechen, das auch gar nicht
stattgefunden haben konnte, wenn sie es genau bedachte. Schließlich hatte der
betrunkene George schon über das ungeheuerliche Verbrechen berichtet. Sie hatte
dies also nicht wirklich miterlebt, sondern geträumt... Eine seltsame Mischung
zwischen Traum und Wirklichkeit!
Mit der Rückkehr ihrer Erinnerung fiel ihr
auch wieder ein, was sie nach dem Aufstehen unternommen hatte.
Sie fühlte sich wie gerädert, brachte sich
einigermaßen in Ordnung, kleidete sich an und verließ das Hotel.
Es zog sie in die Rue Morgue ...
Ihre
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