SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
ganzen Aktivitäten an diesem Morgen
waren selbst wie Traumbilder.
Hatte sie eine Nachricht hinterlassen für den
Fall, daß X-RAY-1 Larry Brent zu ihrer Verstärkung nach Paris beorderte?
Sie wußte es nicht genau. Und fraglich war
auch, ob sie nach ihrem nächtlichen Erlebnis die PSA-Zentrale informiert hatte,
wie es richtig gewesen wäre.
Alle diese Dinge waren fraglich, also nicht
richtig rückrufbar. Sie hatte gehandelt wie in Trance.
Aber ihre Gedankengänge wurden mit jeder
Sekunde, die verstrich, klarer.
Sie versuchte die Fesseln abzustreifen und
spannte ihre Muskeln an. Die Fesseln saßen fest, ebenso der Knebel, der ihren
Mund trocken und spröde machte und das Gefühl großen Durstes noch verstärkte.
Ihre Gedanken arbeiteten indessen wie das
Räderwerk einer Maschine weiter.
Sie hatte das Hotel verlassen und war in die
Rue Morgue gefahren.
War sie das wirklich?
Sie konnte sich nicht entsinnen, Georges
Wohnung erreicht zu haben. Alles war wie ein Nebel. Irgendwann hatte etwas sie
betäubt wie süßes Gift, dessen Wirkung sie nichts hatte entgegensetzen können.
Das Gesicht des Taxifahrers kam ihr in den Sinn, eine wie im Rausch gesehene
Szene schälte sich aus wirbelnden Nebeln.
Da beugte sich ein Gesicht über sie. War es
das Gesicht des Taxifahrers? Wieso bestand diese große Ähnlichkeit zwischen ihm
und - Pierre Tofflaine?
Morna Ulbrandson zermarterte sich vergebens
das Gehirn und kam nicht hinter die Einzelheiten.
Wichtiger war auch wohl jetzt, daß sie sich
erst von den Fesseln befreite, den Knebel aus dem Mund nahm und versuchte, aus
ihrem Gefängnis zu entkommen.
Wo lag sie eigentlich?
Sie konnte nur den Kopf bewegen und machte,
als sie ihn nach links legte, die Feststellung, daß sie schon die Wand daneben
berührte.
Eine Wand aus Holz! Demnach lag sie in einer
Hütte ...
Die absolute Finsternis gab ihr zu denken.
Sie hatte das Gefühl, in einem fensterlosen, muffigen Keller zu liegen, in dem
die Luft langsam knapp wurde - oder in einer Kiste!
Sie drehte den Kopf nach rechts.
Auch da stieß sie sofort auf Widerstand. Die
nächste Wand?
Ihr Herz schlug schneller, Schweiß brach ihr
aus, und ein dumpfes Stöhnen formte sich in ihrer Kehle.
Morna Ulbrandson hob den Kopf.
Sie stieß mit der Stirn gegen einen
Widerstand! Der befand sich nur zehn Zentimeter über ihr!
Da erfaßte sie Panik ...
Sie begriff, was man mit ihr gemacht hatte
und wußte, daß dies kein Traum war.
Sie lag in einem Sarg, und man hatte sie
lebendig begraben. Deshalb fiel kein Lichtstrahl in ihr abgekapseltes,
hermetisch verschlossenes Gefängnis ...
*
Er betätigte nicht die altmodische Klingel,
sondern ging gleich durch den Torbogen in das schummrige, kühle Haus.
Larry Brent stand Sekunden später vor der
Wohnungstür in der ersten Etage und klingelte.
Eilige Schritte waren zu hören.
Ihm wurde geöffnet, und er stand der
hübschen, zarten Josephine Tofflaine gegenüber.
Sie lächelte ihm freundlich zu: »Bitte,
Monsieur?«
»Mein Name ist Larry Brent. Ich bin zufällig
in Paris. Sie sind doch Josephine Tofflaine und hatten den Mädchennamen
Laroche, nicht wahr?«
»Oui, Monsieur.«
»Ich bin mit jemand befreundet, den auch Sie
gut kennen, Madame. Sie waren doch vor ein paar Jahren als Mannequin tätig.«
Sie nickte.
»Dann bin ich richtig. Ich soll Ihnen Grüße
von Morna Ulbrandson bestellen.«
*
Er beobachtete ihre Reaktion genau, ohne es
sich anmerken zu lassen.
Ihre Augen wurden groß.
»Morna?« wiederholte sie ungläubig. »Aber -
das darf nicht wahr sein. Morna läßt mir Grüße bestellen? Kommen Sie herein,
Monsieur Brent! Sie kennen Morna? Mein Gott, wie lange ist das schon her,
seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben? Fünf Jahre, sechs ... sieben?«
Die Frau trat zur Seite. Sie trug ein locker
fallendes Kleid, das seidig schimmerte und ihre weiblichen Formen betonte.
Josephine sah frisch und gesund aus, hatte
strahlende, mandelförmige Augen und einen Teint wie Samt.
Die Französin führte ihn in das geräumige
Wohnzimmer.
Larry Brent war erstaunt.
Dem alten Haus war nicht anzusehen, welche
Schätze es in seinem Innern barg: Kostbare Möbel, ausgesprochen luxuriöse
Sessel und eine Couch, die so groß war, daß man eine Sonderanfertigung in ihr
vermuten konnte. Die Qualität und Schönheit der Gemälde an den Wänden fiel auch
einem Besucher auf, der nichts von Kunst verstand. Die Reinheit der Farbe, die
Kraft des Ausdrucks waren
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