SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
warf einen flüchtigen Seitenblick
auf den Eingang zum Frühstückszimmer. Es duftete verlockend nach frischen
Backwaren und Kaffee.
»Mit dem gemeinsamen Frühstück wird’s heute
nichts mehr, Brüderchen«, sagte Brent beiläufig, dem der Blick des Freundes
nicht entgangen war.
Iwan seufzte: »Arbeit, ich weiß. Es ist nicht
das erste Mal, daß ein Frühstück ins Wasser fällt. Aber ich habe einen
Trost...«
»Der wäre?«
»Ich werde doppelt soviel zu Mittag essen.
Das gleicht den morgendlichen Verlust aus.«
»Ich hoffe, du kommst dazu«, warf Larry ein.
»Ich denke schon. In drei Stunden läßt sich ’ne
Menge erledigen.«
»Dann wünsch’ ich dir, daß dir die
Krankenhauskost schmeckt.«
»Krankenhauskost, Towarischtsch? Wie kommst
du denn darauf? Du verdirbst einem schon den Appetit aufs Mittagessen, noch ehe
man gefrühstückt hat...«
»Weil du jetzt sofort ins Krankenhaus
weiterfahren wirst, Brüderchen. Wenn Kommissar Fuñé aufwacht oder in der Lage ist ein paar Worte
zu sprechen, hast du einige dicke Fragen auf Lager, die uns unter allen
Umständen beantwortet werden müssen. Vorausgesetzt, Funés Zustand läßt das zu. Es kann Mittag - es kann
Abend werden. Ich werde in der Zwischenzeit versuchen, Mornas Wegen zu folgen.«
»Du willst in die Rue Morgue?«
»Erraten.«
»Dann wünsch’ ich dir viel Glück.
Arbeitsteilung muß sein, ich weiß. Am liebsten würde ich dich begleiten.«
»Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Du, Towarischtsch«, sagte der Russe
plötzlich, ehe sich ihre Wege vor dem Hotel trennten und die angeforderten
Taxis kamen.
»Ja, was ist?«
»Manchmal kommt es mir so vor, als wärst du
mein Chef.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Die Entscheidung über die Arbeitsteilung -
hast du doch eben getroffen, nicht wahr?«
»Richtig.«
»Na also.«
»Einer mußte sie doch treffen. Was hättest du
an meiner Stelle getan, Brüderchen?«
»Arbeitsteilung vorgeschlagen! Wenn die PSA
schon zwei Leute auf den Weg schickt, dann sollen sie auch gefälligst etwas tun
...«
»So kann eigentlich nur einer sprechen, dem
daran liegt, daß der Laden läuft. Und das ist meistens der Chef. Bist du etwa -
X-RAY-1, Brüderchen?«
»Heh! Wie kommst du denn darauf?«
»Du hast mich vorhin für den Boß gehalten -
jetzt halte ich dich dafür! So einfach ist das Spiel...«
Die Taxis kamen. Ȇber das Problem,
Towarischtsch, sprechen wir später noch mal«, rief X-RAY-7, ehe er die Tür zu
seinem Fahrzeug zuschlug.
Nachdenklich stieg Larry in das auf ihn
wartende Auto.
Er fragte sich, ob die Bemerkung seines
treuen Freundes wirklich diesmal nur ein Flachs - oder eine Andeutung gewesen
war, die tiefere Bedeutung hatte.
Konnte es sein, daß Iwan Kunaritschew etwas
von Larrys wahrer Rolle mitbekommen hatte oder gar wußte?
*
Seine Gedanken liefen in eine andere
Richtung, als er in der Rue Morgue ankam.
Vor dem fraglichen Haus, in dem George Dupont
ermordet worden war, standen zwei bewaffnete Polizisten und viele Schaulustige.
Trotz strengster Geheimhaltung war etwas durchgesickert, und die Nachricht von
dem Mord hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.
Funes Stellvertreter, Poulain, war noch mal
hierher gekommen, um persönlich mit den Beamten der Spurensicherung zu
sprechen. Durch Larry Brents Auftauchen heute morgen im Büro war er etwas
verunsichert und wollte alles hundertprozentig machen.
Daß X-RAY-3 nun sogar am Ort des Verbrechens
erschien, war für ihn ein neuer Grund der Verwirrung.
»Gibt es etwas Besonderes, Monsieur Brent,
das Sie veranlaßt, hierher zu kommen? Wissen Sie etwas von der Frau, die mit
dem Namen Morna unterschrieben hat? Hat sie etwas beobachtet?«
»Wahrscheinlich, Poulain. So ganz sicher
können wir da allerdings nicht sein ...« X-RAY-3 berichtete von seinen Feststellungen
und der Tatsache, daß Morna Ulbrandson Spurlos verschwunden war.
Wenn Morna Ulbrandson nicht mehr lebte, würde
ihr Sender bei einem Abfall der Körpertemperatur automatisch ein letztes Signal
auslösen.
Larrys Bericht endete mit einer Frage. »Ist
Mademoiselle Morna inzwischen hier aufgetaucht, Poulain? Haben Sie oder Ihre
Leute die von mir beschriebene Frau, die jetzt angeblich schwarze Haare haben
soll, hier im Haus gesehen?«
»Nein, Monsieur Brent. Hier ist niemand
gewesen.«
Morna Ulbrandson war demnach tatsächlich
nicht hier angekommen.
Sie hatte nach Aussagen des Hotelangestellten
das »Esplanade« um acht Uhr dreißig verlassen. Um sechs Uhr morgens
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