SGK342 - Das Echsengezücht greift an
dabei gab die
Tür nach.
Ihre Kraft war nichts gegen die, die sich ihr
entgegenstemmte! Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis sie endgültig
nachgeben mußte. Mit dem Rücken stemmte die junge Frau sich gegen die
Innenseite der Tür. Der Arm mit dem Rasiermesser rutschte erneut durch den
Spalt. Doris Gaisler war totenblaß.
»Komm’, laß mich rein !« sagte die Stimme.
Rita Sensmann sprach aus dem Mund des
Unheimlichen. Er konnte sie perfekt imitieren!
Doris Gaisler verstand die Welt nicht mehr,
konnte nicht mehr denken. Sie handelte, um ihr Leben zu retten. Sie rannte in
den Flur, schlug die erste Zimmertür hinter sich zu und konnte den Schlüssel
umdrehen, ehe der Mörder diesmal an der Tür auftauchte. Doch er verlor keine
Zeit.
Er wollte sein Opfer haben, griff nach einem
Stuhl und schmetterte in gegen das dünne Türblatt.
Ein zweiter und dritter Schlag, die ersten
Fetzen flogen.
Doris Gaisler rannte auf die andere Seite des
Raumes und riß das Fenster auf, als die Tür mit Donnergetöse aus den Angeln
gerissen wurde. Der unheimliche, sich der Stimme Rita Sensmanns bedienende
Eindringling taumelte mit schaumbedeckten Lippen ins Zimmer.
Doris Gaisler stand schon auf der
Fensterbank, als sie jenseits des Gartenzauns einen Streifenwagen der Polizei
sah.
»Hilfe! Zu Hilfe!« Die Stimme der- vom Mörder bedrängten Frau überschlug sich.
Doris Gaisler ließ sich einfach nach vorn
fallen, stürzte aus dem Parterrefenster und sah wie durch einen Schleier, daß
der Wagen plötzlich stoppte.
Sie knickte um und gewahrte, daß der behaarte
Mann mit dem tumben Gesichtsausdruck auf sie zusprang.
Dann fiel ein Schuß.
Der Mörder schien zu erstarren, er stand
sekundenlang reglos wie eine Statue und drehte sich um seine eigene Achse. Das
Mordmesser entfiel seinen klobigen, leicht grünlich schimmernden Händen.
Über den niedrigen Gartenzaun sprangen zwei
uniformierte Gestalten.
Doris Gaislers Erregung löste sich in einem
Weinkrampf.
*
Zur gleichen Zeit in einem dunklen Zimmer an
der Peripherie von Budapest.
Den ganzen Tag schon hielt sich Morna
Ulbrandson hier auf. Die Zeit war ihr lang geworden. Zu gern hätte sie am
Nachmittag einen Bummel durch die Stadt gemacht, aber ihre Pflicht ließ sie
nicht los.
Es war eine Aufgabe, die sie langweilte, aber
deren Wichtigkeit sie nicht unterschätzte. Und so hielt sie durch, Stunde um
Stunde.
Mit dem langen Warten begann gleichzeitig die
Müdigkeit.
Mehr als einmal fielen ihr die Augen zu.
Anfangs merkte sie es. Sie durfte nicht einschlafen und mußte aufpassen, falls
Palewo erwachte, um geheimnisvolle Pfade zu gehen, auf denen dann Frauen mit
durchschnittenen Kehlen zu finden waren...
Morna wehrte sich gegen das Einschlafen,
sackte aber immer wieder nur für wenige Sekunden weg, dann aber für ein paar
Minuten. Und in einer solchen Phase geschah es ...
Boris Palewo schlug die Augen auf. Er war von
einem Moment zum anderen hellwach und sah sich in dem halbdunklen Zimmer um.
Durch das kleine zugezogene Fenster fiel schwach das Licht der Straßenlaterne.
In Palewos Augen trat ein Glitzern, als er
die Frau im Sessel neben dem Fenster sitzen sah. Blond schimmerte ihr Haar im
Dunkeln.
Mordgier flammte in ihm auf, und er begriff
und erkannte sie nicht. Er wurde - wie schon in den Fällen zuvor in der Zeit,
als Morna ihn praktisch auf frischer Tat ertappte -
von einer fremden Kraft geführt und beeinflußt. Diese Kraft registrierte wie
ein Sender das, was seine Sinne aufnahmen und stellte sich darauf ein. So war
es auch zu verstehen, daß aus der Feme über eine geistige Brücke jede
Empfindung und Reaktion ausgeschaltet worden war, als das seltsame Gehirn in
einem Wiener Kellergewölbe die Gefahr für Boris Palewo erkannte. Palewo war -
wie in einem Fall in Prag - selbst ein Opfer der unheimlichen Macht, die durch
Fernand Mundei in die Welt gekommen war, Opfer, das durch Zufall in diese Lage
geriet, weil bestimmte Gehirnwellen deckungsgleich übereinstimmten mit denen,
die das Hirn in Wien aussandte ...
Palewo nahm das Rasiermesser aus dem Versteck
und faßte es mit sicherer, ruhiger Hand. Weiß traten seine Knöchel hervor.
Im nächsten Moment machte er einen Schritt
nach vorn. Morna Ulbrandson atmete tief, merkte aber nichts von der tödlichen
Gefahr.
Oder doch?
Der Dielenboden knarrte.
Palewo warf sich mit der Mordwaffe in der
Rechten nach vorn und verlor keine Sekunde.
Die eingenickte Agentin fuhr zusammen, spürte
instinktiv die
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