Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
zerschmetterte auf dem Boden.
Seine Haare waren anders. Sein Name, Red, wahrscheinlich nur ein Spitzname, passte nicht mehr. Aber seine Augen waren noch dieselben. Sie sah ihn vor sich, wie er in ihren Träumen aufgetaucht war. Dann erinnerte sie sich daran, wie er sie im Spiegel angestarrt hatte und noch völlig mit dem Blut der toten Mädchen verschmiert war. Dann blitzte das Bild vor ihr auf, wie er auf ihrer Windschutzscheibe lag und seine Hand durch das Fenster auf der Fahrerseite griff. Als ob das noch nicht genug wäre, sah sie auch noch das Bild vor sich, wie er sie anstarrte, während sie an einen Stuhl gefesselt war, als er und sein Großvater sie entführt hatten.
»Della?«, sagte Kylie in einem möglichst neutralen Tonfall, um ihre Freundin zu warnen, ehe es zu spät war.
Aber Della antwortete nicht. Kylie drehte sich um. Ihre Vampirfreundin saß immer noch am Tisch, die Lippen am Glas. Ein paar Tropfen Blut hingen in der Luft zwischen ihren Lippen und dem Rand des Glases. Della atmete nicht. Bewegte sich nicht. Sie sah aus wie versteinert.
Okay, es war schon zu spät.
Kylie sah zu Miranda, die genauso versteinert war, einen Finger am Ohr, als wollte sie sich eine Haarsträhne zurückstreichen.
Die Männer auf dem Boden waren ebenso regungslos.
»Es gibt nur noch dich und mich, Kylie«, sagte der Abtrünnige.
Kylie konnte den Blick nicht von ihren Freundinnen abwenden. »Was auch immer du mit meinen Freunden gemacht hast, du machst es besser schnell rückgängig«, drohte sie ihm mit tiefer Stimme, und vor Wut rauschte ihr das Blut in den Ohren.
»Kein Grund, sich aufzuregen. Es geht ihnen gut. Sobald ich sie wieder freilasse, werden sie so sein wie vorher und sich an nichts erinnern.« Sein Blick wanderte über den Raum und verharrte dann auf ihr.
»Dann los, befreie sie!«, herrschte Kylie ihn an.
Er seufzte. »Ich hab echt noch nie jemanden gesehen, der sich so sehr um andere sorgt.«
Obwohl sie nicht genau sagen konnte, warum sie es tat, checkte Kylie sein Gehirnmuster. Er war ein Werwolf. Aber wie war das möglich? Er war doch Vampir. Sie versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen, aber er sah es trotzdem.
»Was bist du?« Kylie hatte beschlossen, einfach zu fragen.
»Ich bin dasselbe wie du. Nur bin ich ein paar Minuten nach Mitternacht geboren.« Er kam ein paar Schritte näher. »Deshalb gehören wir zusammen. Wir sind Seelenverwandte, Kylie. Das sind wir.«
Sie zog wieder die Augenbrauen zusammen, und dieses Mal zeigte sein Muster, dass er Mensch war. Ihr Herz hämmerte in ihrem Brustkorb. »Ich bin nicht seelenverwandt mit dir. Eher sterbe ich.«
»Aus dem Grund bin ich ja hier.« Er kam noch einen Schritt näher.
Sie wich zurück. »Du bist hier, um mich umzubringen?«
»Nein.« Er blieb stehen. Etwas an seiner Antwort und seinem Tonfall klang ehrlich. »Ich bin hier, um dich zu beschützen. Obwohl du es mir nicht gerade leichtmachst.«
Von draußen war ferner Donner zu hören. Er schaute aus dem Fenster, und als er wieder Kylie ansah, war ihr noch etwas klargeworden.
»Du bist der Adler«, stellte sie fest. »Und der Hirsch. Du bist ein Gestaltwandler?« Und wenn sie dasselbe waren, wie er gesagt hatte, hieß das, dass sie auch ein Gestaltwandler war?
»Nein. Also, doch. Ich war der Hirsch und der Adler, aber ich bin kein Gestaltwandler.«
Dann kam ihr noch ein Gedanke. »Du hast mich beschützt, aber du hast auch die Mädchen in der Stadt getötet. Warum?«
Er senkte den Blick. »Würdest du dich sehr aufregen, wenn ich es getan hätte, um dich zu beeindrucken?«
»Mich zu beeindrucken? Das ist doch krank.«
»Aber sie waren gemein zu dir und deinen Freunden.«
»Deshalb darf man sie doch nicht umbringen.«
»Ich weiß jetzt, dass du das so siehst. Damals kannte ich dich aber noch nicht.«
»Du kennst mich jetzt auch nicht.«
Er zuckte mit den Schultern. »Manchmal verstehe ich dich nicht. Aber ich habe dich beobachtet. Und ich muss sagen, du bist ein interessantes Studienobjekt. Ich hab mich immer gefragt, wie es gewesen wäre, um Mitternacht geboren worden zu sein. Schon komisch, wie ein paar Minuten auf der Uhr so einen großen Unterschied machen können. Manchmal frage ich mich, ob …« Draußen ertönte ein Donnerschlag, der die Hütte zu erschüttern schien. Kylie hätte schwören können, dass sie Reue in seinen Augen gesehen hatte. Aber vielleicht irrte sie sich auch. Das Licht in der Hütte war dunklen Schatten gewichen. Kylie spürte,
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