Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
Dad nicht eine Sekunde aus den Augen. Man musste ihrem Vater zugutehalten, dass er einfach ruhig dastand und Dereks wütenden Blick ertrug, als wüsste er, dass er es verdient hatte. Della knurrte ihn tatsächlich an und Mirandas kleiner Finger zuckte nervös.
Kylie musste später unbedingt daran denken, jeden einzeln zu umarmen.
»Kommt schon, Leute.« Holiday winkte sie mit der Hand aus dem Zimmer. Als alle draußen waren, zog Holiday die Tür mit einem letzten besorgten Blick auf Kylie hinter sich zu.
Kylie zog die Knie an die Brust und schlang die Arme um die Schienbeine. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und sie starrte ihre ausgewaschene Jeans an. Ihn anzuschauen, tat zu weh.
Außerdem bestand die Gefahr, dass sie wieder anfangen würde zu heulen, wenn sie ihn anschaute, und das wollte sie unbedingt vermeiden.
Er setzte sich neben sie auf ihr schmales Bett. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er die Hände im Schoß faltete. Sie hörte ihn atmen. Sie hörte auch sich selbst atmen.
Sie schloss die Augen.
Früher oder später musste einer von ihnen anfangen zu reden. Aber ausnahmsweise wollte Kylie nicht die Mutigere sein. Er sollte den ersten Schritt machen.
»Ich hab es vermasselt«, gestand er schließlich. »Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich es mal so schlimm vermasseln könnte.«
Sie öffnete die Augen und zwang sich, ihn anzuschauen. Sie musste feststellen, dass er wieder wie ihr Dad aussah. Er trug nicht mehr diese engen Jeans. Seine Haare waren normal gekämmt und nicht so hochgegelt. Er hatte noch die Strähnchen, aber so schlimm sah es gar nicht aus.
»Ich kann verstehen, dass du sauer auf mich bist. Aber ich hab dich lieb, Herzchen.« Er legte seine Hand auf ihr Knie und seine Berührung versetzte ihr einen Stich ins Herz. Tränen traten ihr in die Augen.
Sie blinzelte, vertraute ihrer Stimme jedoch noch nicht genug, um etwas zu sagen. Außerdem hätte sie sowieso nicht gewusst, was sie sagen sollte.
»Ich wollte dir nie wehtun«, fuhr er fort. »Ich hätte doch nie gedacht, dass du an dem Tag in der Stadt sein würdest.« Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah Kylie etwas, das sie nie zuvor gesehen hatte. Ihr Vater weinte. Echte Tränen. Ihr Herz wurde noch schwerer.
»Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, Kylie. Irgendwie hab ich den Verstand verloren. Ich bin vierzig geworden und dann wurde deine Großmutter krank und ist gestorben.« Er hielt inne. »Plötzlich konnte ich nur noch ans Altwerden denken. Dann hat Amy – das Mädchen im Büro – angefangen, mit mir zu flirten und dadurch hab ich alles für eine Weile vergessen können.« Er schnappte nach Luft. »Aber ich habe auch vergessen, dass die wichtigsten Menschen auf der Welt für mich du und deine Mutter sind.«
Kylie wusste, dass es an der Zeit war, dass sie auch etwas sagte, aber sie wusste immer noch nicht, was sie sagen sollte. Sie konnte nicht sagen, dass sie ihm verzieh, denn das tat sie nicht. Da kam ihr ein Gedanke.
»Hat deine Freundin mit dir Schluss gemacht?« War das der Grund dafür, dass er jetzt hier war?
»Ja.« Er sah verlegen aus. Kylie war überrascht, dass er nicht versucht hatte, es zu leugnen. »Aber das ist nicht der Grund … Ich hatte schon vorher gemerkt, dass ich alles vermasselt habe.«
Sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter gesagt hatte, dass ihr Dad es verdiente, von jemandem so geliebt zu werden, wie er sie all die Jahre geliebt hatte. In dem Moment bemerkte Kylie, wie ein Teil von ihr nachgab. Sie konnte nicht ewig auf ihn sauer sein. Das konnte sie einfach nicht. Vielleicht war sie so weit, ihm zu vergeben.
Er streckte die Hand aus und strich ihr über den Kopf, so wie er es immer getan hatte. »Ich hab dich lieb, Kylie. Du bist meine Tochter.«
Nein, bin ich nicht. Er hatte ihrer Mutter das Versprechen abgenommen, ihr nie etwas von ihrem leiblichen Vater zu erzählen, und ihre Wut kam zurück.
Sie wischte sich hastig die Tränen von den Wangen. Dann bot sie ihm das Einzige an, was ihr möglich war. »Ich bin verletzt und im Moment echt sauer auf dich. Sobald es nicht mehr so wehtut, kann ich dir vielleicht verzeihen. Aber noch nicht jetzt.«
Er nickte. Sie sah eine Träne von seinen Wimpern tropfen. Er wischte sie weg. Dann beugte er sich nach vorn und küsste sie sanft auf die Stirn. »Ich hab dich lieb, Herzchen. Denk immer daran.«
Als Kylie zusah, wie er vom Bett aufstand, wurde ihr plötzlich bewusst, dass nur weil
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