Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
einfach mit ihr davon.
Die anderen johlten und lachten.
Kylie lachte nicht. Sie betrachtete Della, die wirklich genervt aussah. Doch in ihren zornig-grünen Augen lag noch etwas anderes. Etwas, das Kylie sagte, dass Steve vielleicht noch mal mit einem blauen Auge davonkommen würde.
Wow,
dachte Kylie. Vielleicht hatte sie tatsächlich Talent im Verkuppeln.
»Ist es okay, wenn ich notfalls verschwinde?«, fragte Jenny, als sie mit Kylie und Holiday in der Tür zum Speisesaal stand.
»Ich würd es dir nicht empfehlen«, antwortete Kylie. »Lächle einfach. Ob du’s glaubst oder nicht, man gewöhnt sich irgendwann dran.«
Das Treffen mit Jenny und Kylies Freunden war super gelaufen. Alle schienen Jenny nett zu finden. Natürlich nicht
so
nett, wie Derek sie fand.
Lucas hatte ihr während des Treffens zugeflüstert: »Noch ein Geheimnis.«
Kylie raunte nur ein kurzes »Sorry« zurück. Sie wollte ihn noch etwas hinhalten, bis er sich mit dem Typ aus dem Rat getroffen hatte. Doch wie sie jetzt merkte, würde das schwer werden. Für sie beide. Aber Kylie war fest entschlossen.
»Wissen die denn nicht, dass es unhöflich ist, jemanden so anzustarren?«, fragte Jenny.
»Ja, aber sie können nicht anders.«
Hayden kam zu ihnen rüber und baute sich neben Jenny auf.
Er lächelte nicht, sondern hob die Stimme und wies die Schüler an: »Esst euer Mittagessen und hört auf zu starren!«
Holiday meldete sich ebenfalls zu Wort. »Mr Yates hat recht. Das ist nicht gerade die feine Art, eine neue Mitschülerin zu begrüßen.«
Kylie und Jenny schauten Holiday erwartungsvoll an. Holiday nickte lächelnd. Dann wandte sie sich wieder an die Menge: »Alle mal herhören, ich möchte euch Jenny Yates vorstellen. Sie ist Mr Haydens kleine Schwester. Also behandelt sie lieber gut, sonst bekommt ihr Extra-Hausaufgaben.«
»Ist sie so wie Kylie?«, fragte jemand.
Hayden machte einen Schritt nach vorn. »Und so wie ich.«
Sofort fingen alle an, mit den Augenbrauen zu zucken. Es folgten Ausrufe des Staunens. Kylie setzte sich mit Hayden und Jenny an einen Tisch – an den Chamäleon-Tisch, wie ihr dann bewusst wurde. Das fühlte sich irgendwie gut an. Kylie hatte den Eindruck, einen Teil ihrer großen Aufgabe schon erledigt zu haben.
Natürlich setzten sich Kylies Freunde kurz darauf zu ihnen. Lucas inklusive. Und das war gut so. Denn obwohl es schön war, jemanden um sich zu haben, der so war wie man selbst, sollte doch das Muster nicht bestimmen, wen man in seinem Leben oder an seinem Tisch willkommen hieß.
Später an diesem Abend gingen alle zum Fluss zum Schwimmen. Der Herbst stand vor der Tür, und sie wollten es noch mal ausnutzen, bevor das Wasser bald zu kalt sein würde. Kylie hatte eigentlich keine Lust, aber als selbst Della gehen wollte, gab sie nach. Sie zog ihren Bikini an und warf sich ein langes schwarzes Shirt über. Während die anderen im Wasser plantschten, setzte sich Kylie auf einen Stein, um ihre Mom anzurufen.
Sie wurde das Gefühl nicht los, dass John etwas im Schilde führte. Doch es wurde ein kurzes Gespräch. Ihre Mom und John waren gerade in einem der besten Restaurants in Houston essen.
Kylie legte auf und hielt das Gesicht in die warme Abendsonne. Die Sonne ging gerade unter, und das Abendrot tauchte den Himmel in die schönsten Farben. Die Vögel flogen von einem Baum zum anderen und fingen die Insekten aus der Luft. Kylie wollte gerade zu den anderen ans Wasser gehen, als sie die Geisterkälte spürte. Schnell sah sie sich um und entdeckte den Geist auf einem Stein ganz in ihrer Nähe. Die Frau starrte wie benommen ins Leere. Sie sah verloren aus – und unendlich traurig.
»Ich weiß, wer du bist, Lucinda«, sprach Kylie sie an. »Du warst Marios Schwiegertochter.«
»Ich weiß. Das hab ich inzwischen auch rausgefunden. Es war wie ein Puzzle, ich hab ein Teil nach dem anderen entdeckt. Ich konnte schon eine Weile einigermaßen erkennen, wie mein Leben gewesen sein musste. Aber erst als das letzte Teil aufgedeckt war, hab ich das ganze Bild gesehen.«
Ihre Stimme klang brüchig.
»Und ich mag es gar nicht.«
Nach einer langen Pause, sah sie Kylie an.
»Ich hatte ein furchtbares Leben. Hab furchtbare Dinge getan. So vielen Menschen wehgetan. Und mein Sohn hat den Preis dafür gezahlt. Ich hätte ihm ein besseres Vorbild sein müssen.«
Kylie schaute in den leuchtenden Abendhimmel. Die goldenen und orangenen Streifen waren dabei zu verblassen, stattdessen färbte sich der
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