Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
und schaute ihn an. Und sie konnte es nicht ändern, aber sie wollte ihn so sehr küssen, dass sie hätte schreien können. Und wenn sie seinen Blick richtig deutete, war sie da nicht die Einzige. Er bewegte sich nur ein klein wenig. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Mund spüren. Er war so nah, sie hätte seine Wimpern zählen können, aber es war sein Mund, der sie in Versuchung brachte.
»Kylie.« Die Art und Weise, wie er ihren Namen sagte, ließ sie noch mehr dahinschmelzen.
»Jaa …«, brachte sie hervor.
»Du machst es mir nicht leicht, mein Versprechen zu halten.«
»Tut mir leid.« Sie hätte ihn in dem Moment fast geküsst. Fast. Aber sie wusste, dass das nicht fair gewesen wäre, weder ihm gegenüber noch ihr selbst, deshalb tat sie es nicht. Noch nicht.
Am nächsten Vormittag saß Kylie mit ihrer Mutter zusammen und beobachtete, wie diese zum zehnten Mal auf die Uhr schaute. Kylie fragte sich, ob ihre Mutter es wirklich so sehr hasste, mit ihr zusammen zu sein, oder ob es der Gedanke an ihren Dad war, der diesen Fluchtreflex bei ihrer Mom auslöste. Wahrscheinlich beides.
»Ich bin so froh, dass du hier klarkommst«, sagte ihre Mutter und strich sich ihre braune Kostümjacke glatt. Die Farbe passte nicht gut zu ihrer olivfarbenen Haut und ihren dunklen Haaren. Sie unterstrich lediglich die dunklen Ringe unter ihren Augen.
»Deine Freunde wirken sehr nett.« Ihre Mutter schaute zu Della und ihren Eltern am Tisch neben ihnen. Kylie hatte ihr Miranda und Della vorgestellt, gleich als sie angekommen war. Ihre Mutter beugte sich zu ihr. »Ein bisschen sehr viel Haar, oder? Aber wenn du mir sagst, dass sie nicht zu wild ist und keine Drogen nimmt, dann muss ich dir das wohl glauben.«
»Sie ist nicht wild, Mom«, murmelte Kylie. Darauf folgte ein Schweigen, und Kylie wusste, wie es sein würde, mit ihrer Mutter allein zu leben, mit ihren Vorurteilen klarzukommen und mit den unangenehmen Schweigepausen. Kylie konnte die Kälte über den Tisch hinweg spüren. Und es war keine Geister-Kälte.
Oder doch?
Kylie ließ den Blick über den Raum schweifen und sah ihn in der Ecke stehen. Er starrte sie an und weinte wieder – blutige Tränen. Ihr Herz setzte kurz aus, und Kylie wünschte sich wirklich, sie wüsste seinen Namen, damit sie ihm helfen konnte.
»Bist du sicher, dass in unserer Familie niemand beim Militär war?«, fragte Kylie ihre Mutter noch einmal.
»Ganz sicher, Liebes.« Sie schaute wieder auf die Uhr. »Deine Campleiterin – wie war noch ihr Name? Holiday? Sie scheint mir auch sehr nett.«
»Holiday ist wirklich cool«, stimmte Kylie ihr zu. Sie musste daran denken, wie sich ihrer und Holidays Blick getroffen hatten, nachdem Holiday ihre Mutter kennengelernt hatte. Holiday hatte ganz leicht den Kopf geschüttelt, als wollte sie sagen, dass ihre Mutter nicht übernatürlich war.
»Okay, ich denke, ich sollte besser gehen«, sagte ihre Mutter nervös. »Willst du mich noch zum Auto bringen?«
Kylie schielte zur Uhr an der Wand. Ihre Mutter ging dreißig Minuten zu früh. So viel zur wertvollen Zeit, die sie mit ihrer Tochter verbringen wollte.
»Ja klar.« Kylie stand auf. Als sie an Della, Miranda und ihren Eltern vorbeigingen, fiel Kylie auf, dass keine ihrer Freundinnen besonders glücklich aussah. Ihr allabendliches Küchentischgespräch würde heute wohl eher eine Jammerrunde werden.
Kylie und ihre Mutter gingen schweigend zum Parkplatz. Gott sei Dank war der Geist nicht mitgekommen. Als ihre Mutter sich zum Abschied zu ihr umdrehte, fasste sie Kylies Arm und drückte ihn kurz.
Kylies Hals schnürte sich zusammen beim Gedanken daran, wie sehr sie bei Omas Beerdigung eine Umarmung gebraucht hatte.
»Weißt du, manche Mütter umarmen ihre Kinder.«
Ihre Mutter schaute sie schockiert an. »Willst du, dass ich dich umarme?«
»Nein«, entgegnete Kylie. Wer wollte schon eine Umarmung, um die er ausdrücklich bitten musste?
»Tschüss, Mom.« Kylie wandte sich ab und ging zurück zum Speisesaal, um auf ihren Vater zu warten. Sie schaute sich nicht mehr um und sah dem Auto ihrer Mutter nicht nach, obwohl sie wusste, dass ihre Mutter winken würde und von Kylie dasselbe erwartete. Von jetzt an hieß es: Keine Umarmungen zum Abschied, kein Winken zum Abschied.
Kylie hätte ihren Dad fast nicht wiedererkannt. Zunächst einmal: Wo waren die grauen Haare an den Schläfen geblieben? Außerdem hatte er sonst nie Strähnchen. Und ganz sicher auch keinen Surfer-Haarschnitt. Von den
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