Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
gehalten, die ein paar Probleme hatten, und nicht für Kriminelle.
Der Motor des Busses erstarb nach einem lauten Knattern. Die Busfahrerin sprang von ihrem Sitz und streckte ihre kurzen dicklichen Ärmchen über den Kopf. Kylie verstand immer noch nicht, wie sie an das Gaspedal herankam.
»Wir sind der letzte Bus, Leute«, rief sie. »Die anderen warten im Speisesaal. Lasst eure Sachen im Bus, sie werden später zu euren Zimmern gebracht.«
Kylie schaute ihren Koffer an. Sie hatte gar kein Namensschild drangemacht. Wie sollte jemand wissen, dass es ihr Koffer war? Na klar – es konnte keiner wissen. Also musste sie entweder ihr Gepäck mitnehmen und dafür Ärger bekommen, weil sie sich nicht an die Regeln hielt, oder es zurücklassen und damit riskieren, dass sie ihre ganzen Klamotten verlor.
Sie würde auf keinen Fall ihre Klamotten verlieren. Sie griff nach ihrem Koffer. »Sie bringen ihn dir«, sagte Miranda.
»Mein Name ist aber gar nicht dran«, antwortete Kylie und versuchte, nicht schnippisch zu klingen.
»Das finden die schon raus, glaub mir.« Offenbar versuchte sie nett zu sein.
Aber sie brauchte nicht zu glauben, dass Kylie ihr das abnahm.
Plötzlich tauchte der grünäugige Trey-Doppelgänger im Gang auf. »Du kannst ihr ruhig glauben«, meinte er.
Kylie sah ihn an. Miranda vertraute sie nicht, aber irgendetwas an ihm wirkte vertrauensvoll. Er griff in seine Hosentasche und zog Geld heraus, das er ihr in die Hand drückte.
»’tschuldigung«, das Gothic-Girl schob sich an Miranda vorbei.
Kylie starrte die Münzen in ihrer Hand an.
»Das ist dein Wechselgeld aus dem Laden.« Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, auszusteigen.
Sie steckte das Geld in ihr Portemonnaie und trat vor ihn in den Gang. Sie konnte ihn hinter sich spüren. Fühlte, wie er sich ein bisschen näher zu ihr lehnte und seine Schulter ihren Rücken berührte.
»Ich heiße übrigens Derek.«
Sie war vom Klang seiner dunklen Stimme und seiner Nähe so eingenommen, dass sie erst in letzter Sekunde den Blonden sah, der genau vor ihr in den Gang sprang. Mitten in der Bewegung hatte sie zwei Möglichkeiten. Entweder in Blondie zu knallen oder zurück auf Derek zu fallen. Eine einfache Entscheidung. Dereks Hände fassten sie am Oberarm. Seine Finger berührten ihre nackte Haut, genau dort, wo die Ärmel aufhörten.
Sie schaute über die Schulter zurück, und ihre Blicke trafen sich.
Er lächelte. »Alles klar?«
Ein unglaubliches Lächeln. Wie das von Trey. Ihr Herz machte einen Sprung. O Mann, wie sie Trey vermisste.
»Ja.« Sie wich zurück, aber nicht ohne vorher noch Dereks warme Hände zu bemerken. Warum ihr das wichtig erschien, wusste sie nicht, aber die kalte Hand des blassen Mädchens hatte bei ihr einen ähnlich seltsamen Eindruck hinterlassen.
Sie verließen den Bus und machten sich auf den Weg durch die Anlage. Kleine Hütten säumten den Weg. Kurz bevor Kylie durch die Tür zum Speisesaal ging, hörte sie ein seltsames Brüllen, wie von einem Löwen. Sie hielt inne, um zu sehen, ob es sich wiederholen würde, und Derek lief in sie hinein. »Wir sollten lieber reingehen«, flüsterte er.
Kylie wurde es flau im Magen vor Angst. Als sie den ersten Schritt über die Türschwelle machte, schien sie zu spüren, dass sich ihr Leben für immer verändern würde.
Etwa fünfzig oder sechzig Leute füllten den Saal. Lange schmale Tische waren in Reihen aufgestellt, und es roch nach Schweinefleisch mit Bohnen und nach Hamburgern. Ein Teil der Jugendlichen saß an den Tischen, ein Teil stand.
Irgendetwas fühlte sich merkwürdig an. Es dauerte eine Minute, bis sie merkte, was es war. Stille. Niemand sprach ein Wort. Im Speisesaal ihrer Schule konnte man sich nicht einmal selbst denken hören. Aber das war genau das, was hier jeder zu tun schien. Denken.
Sie ließ ihren Blick über die anderen Teenager schweifen und war sich nun ganz sicher, nicht hierherzugehören. Es gab jede Menge ›Rebellionsbeweise‹, wie es ihre Mutter genannt hätte. Klar rebellierte Kylie auch. Aber sie nahm an, dass sie es weniger auffällig tat, weniger mit ihren Klamotten und ihrem Aussehen, sondern eher mit dem, was sie umgab. Zum Beispiel hatte sie einmal mit Sara zusammen ihr Zimmer komplett lila gestrichen – ohne Erlaubnis. Ihre Mutter war ausgeflippt.
Die hier strichen allerdings nicht nur ihre Zimmer, sie trugen ihre Rebellion selbst zur Schau. Wie Mirandas Haare oder der Typ mit dem Nasenring und den anderen Piercings. Als
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