Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
Nummer ihrer Mutter auf dem Display und schaltete das Handy aus. Das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen, dass diese Superohren ein Gespräch mit ihrer Mutter belauschten.
Sobald die Mittagspause vorbei war, ließ sich Kylie von Holiday den Weg zu ihrer Hütte zeigen. Um sechs sollte es Abendessen geben, und bis dahin hatten sie den Nachmittag frei. Man hatte ihnen empfohlen, rauszugehen und die anderen Campteilnehmer kennenzulernen.
Stattdessen verkroch Kylie sich in ihrem winzigen Zimmer in der Hütte und verbrachte vier Stunden damit, das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen. Sie kannte schließlich den Unterschied zwischen »empfohlen« und »befohlen«.
Sie saß auf ihrem Bett, und ihr fiel auf, wie klein ihr Zimmer war. Nicht, dass sie sich beschweren wollte, denn allein die Tatsache, dass sie überhaupt ein eigenes Zimmer hatte, machte alles andere zweitrangig. Angesichts ihrer nächtlichen Panikattacken, die sie mehrmals in der Woche quälten, war sie für die Privatsphäre sehr dankbar. Sie hoffte nur, dass die Wände hier dick genug waren, damit die anderen ihre Schreie, die ihre Mutter »markerschütternd« nannte, nicht hören würden. Die Wände zu Hause waren es jedenfalls nicht.
Kylie nagte an ihrer Unterlippe. Wieder und wieder fragte sie sich, wie ihre Mutter ihr das hatte antun können. Sie hierherzuschicken, wo ihre Mutter doch noch vor einer Woche Bedenken gehabt hatte, sie überhaupt irgendwo anders übernachten zu lassen, damit ja niemand etwas von ihren Albträumen und Panikattacken mitbekam.
Kylie schüttelte die Gedanken an ihre Mutter ab und sah sich abermals im Zimmer um. Sie hatte ihren freien Nachmittag nicht total verschwendet: Sie hatte ihre Sachen ausgepackt, ihre Mutter zurückgerufen und versucht, die verschollene Sara, die weder gesimst noch angerufen hatte, zu erreichen. Sie hatte außerdem die Campregeln gelesen und sich einem ausgiebigen Zusammenbruch mit jeder Menge Tränen hingegeben.
Ein wohlverdienter Zusammenbruch.
Seit sie denken konnte, versuchte sie nun herauszufinden, wer sie war. Und obwohl sie schon immer wusste, dass sie dafür eine gewisse Wegstrecke würde zurücklegen müssen, hatte sie immer das Gefühl gehabt, dass es soweit ganz gut lief. Aber heute war ihr klargeworden, dass sie erstens immer noch nicht wusste, wer sie war, und zweitens auch nicht wusste, was sie war.
Wenn das mal keine ordentliche Identitätskrise war.
Schon wieder klingelte ihr Handy. Sie schaute aufs Display und sah den Namen ihres Vaters.
Ihr Vater, der sie verlassen hatte.
Ihr Vater, der sie nicht auf dem Polizeirevier abgeholt hatte.
Ihr Vater, der sie nicht einmal mehr besucht hatte bevor sie, gezwungenermaßen, zum Camp aufgebrochen war.
Ihr Vater, der sie ganz offensichtlich nicht annähernd so liebte, wie sie gedacht hatte.
Ihr Vater, den Kylie trotz allem von ganzem Herzen vermisste.
Wenn sie das zum Papa-Kind machte, dann bitte, das war ihr egal. Es war ja wahrscheinlich sowieso nur ein vorübergehender Zustand. Früher oder später würde sie aufhören, ihn so lieb zu haben, genau wie er sie aufgegeben hatte, oder nicht?
Ihr schnürte sich die Kehle zu. Die Versuchung, ans Handy zu gehen und ihn anzuflehen, sie abzuholen, war so stark, dass sie das Handy schnell ans Fußende des Bettes feuerte. Sie hörte dem Klingelton zu. Sie wusste, wenn sie rangehen würde, würde sie ihm sofort alles erzählen: von übernatürlichen Wesen und davon, dass sie auch eine von ihnen war – und davon, dass sie Lucas Parker getroffen hatte, den potentiellen Serienkiller.
Geheimnisse vor ihrer Mutter zu haben, war schon immer einfach gewesen – vielleicht, weil diese ihre eigenen Geheimnisse zu haben schien. Aber vor ihrem Vater etwas zu verheimlichen, war wie Mathe – verdammt schwierig.
Also ging sie nicht ans Telefon, sondern vergrub stattdessen ihr Gesicht im Kissen und heulte noch eine Runde. Als jemand an ihre Zimmertür klopfte, waren ihre Wangen noch tränennass.
Noch ehe sie sich entschieden hatte, was sie tun wollte, ging die Tür auf, und ein Kopf schob sich durch den Spalt. »Bist du wach?«
Da Kylie aufrecht auf dem Bett saß und Mirandas Nasenspitze in ihr Zimmer ragte, log sie nicht. »Ja.«
Miranda trat ein – ohne auf eine Einladung zu warten.
»Hey, ich wollte nur …« Mirandas Blick blieb an Kylies Gesicht hängen, und sie verstummte.
Kylie wusste genau, warum die kleine Hexe so blöd guckte. Kylie beneidete die Mädchen, die weinen konnten und dabei
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