Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
klarkommen musste, in der Warteschleife. Doch jetzt war erst mal Derek an der Reihe. Er hatte ihr auch zugehört, dasselbe war sie ihm auch schuldig.
»Das tut mir wirklich leid«, sagte sie.
»Warum? Mir tut es nicht leid. Wenn er mich nicht wollte, will ich ihn mit Sicherheit auch nicht.«
Er konnte genauso wenig lügen wie sie, dachte Kylie. »Wusstest du auch schon dein ganzes Leben lang, dass du eine Gabe hast?«
Er starrte auf den Fluss. »Nein. Also, ich wusste, dass ich die Gefühle der Menschen besser erkennen konnte als andere Leute, aber ich war mir nicht sicher, ob es … daran lag, dass ich Halbfee bin. Es war erst etwa vor einem Jahr, als die Fähigkeit stärker wurde. Und dann … ist mir klargeworden, dass ich anders bin.«
»Wie bist du denn anders?« Sie fühlte, wie ihr Blick zu seiner Brust wanderte. Es hatte sich so gut angefühlt, sich daran anzulehnen. Ihr kam ein verrückter Gedanke. Wie es wohl wäre, ihn zu küssen?
Er neigte seinen Kopf nach rechts und musterte sie. »Wie sehr ähnele ich deinem Exfreund?«
Sie fragte sich, ob ihre Gefühle so leicht zu durchschauen waren, und sie errötete. »Nicht so sehr, aber …«
»Genug, dass du dich zu mir hingezogen fühlst?«
Sie spürte, dass sie knallrot wurde, und schaute schnell zum Fluss. »Das würde ich nicht unbedingt sagen.«
»Warum nicht?« Sein Atem war wieder an ihrer Wange. Warm. Weich. Wann war er eigentlich so dicht herangekommen? Es war ihr plötzlich unangenehm, dass sein Mund dem ihren so nah war und dass sie versucht war, ihn noch näher kommen zu lassen, und sie sprang vom Felsen hinab.
»Stopp!«, rief er.
»Was?« Sie drehte sich zu ihm um. »Ich dachte, wir –«
»Nicht bewegen«, seine Stimme war plötzlich ernst.
»Warum? Ich –«
Etwas raschelte im Gebüsch neben ihr. Kylie schaute hinunter und sah eine riesige Schlange, die sich aus dem dichten Unterholz schlängelte. Eine riesige grauschwarze Schlange mit einer spitzen Nase, die Art, wie sie ihr Vater ihr immer beschrieben hatte, damit sie auf ihren Campingausflügen die giftigen Schlangen von den ungiftigen unterscheiden konnte.
Panik stieg in ihr auf, als sie die Schlangenart erkannte. Eine Wassermokassinotter, zufälligerweise die aggressivste Schlange, die es in Texas gab.
Und auch noch eine der giftigsten.
Die Schlange kam in schnellen S-Bewegungen auf sie zu. Angst wallte in ihr auf. Sie wollte schreien. Sie sagte sich, dass sie nicht schnell genug von der Schlange weglaufen könnte, ohne gebissen zu werden. Und sie wusste auch, dass es am besten war, ganz still zu bleiben, aber … zur Hölle mit dem Wissen – sie wollte, dass das Ding sie in Ruhe ließ.
Dereks Hand legte sich plötzlich fest auf ihre Schulter. »Ist schon gut.« Seine Stimme war so tief und sanft. »Sie will nur vorbei. Bleib ganz ruhig. Lass sie einfach gehen. Ich bin hier. Dir wird nichts passieren.«
Seine Hand wurde wärmer, unnatürlich warm, und auf einmal war ihre Angst wie weggeblasen. Ihr Herz hörte auf, wie wild zu rasen, und der Knoten in ihrem Magen verschwand. Sie beobachtete, wie sich der kräftige Körper der Schlange über die Spitzen ihrer Sneakers schlängelte, als sei es ein Schmetterling, der vorbeiflatterte. Etwas in ihrem Kopf sagte ihr, dass die Ruhe, die sie spürte, nicht normal war, dass Derek irgendetwas mit ihr gemacht hatte. Sie hatte im Moment jedoch nicht einmal davor Angst. Es war, als hätte Dereks Berührung ihr die Fähigkeit genommen, sich zu fürchten. Sie war nur noch neugierig.
Neugierig auf die Schlange.
Darauf, wie sie sich derart bewegen konnte.
Neugierig auf Derek. Wie hatte er ihre Gefühle beeinflusst? Wie würde es sich anfühlen, ihn zu küssen? Würde sie sich so fühlen wie bei Trey? Oder vielleicht noch besser?
»Du machst das gut. Sie ist fast weg«, flüsterte er.
Und dann war sie verschwunden. Ihr langer Körper glitt in den Fluss; die Wasseroberfläche kräuselte sich nur ein klein wenig, als die Schlange hineintauchte und mit der Strömung davonschwamm.
Derek ließ seine Hand auf Kylies Schulter liegen, während das Tier zwischen den Felsen verschwand. Dann zog er langsam seine Hand weg. Der Ansturm der Gefühle traf sie so hart, dass sie schrie. Als Schreien allein nichts half, fuhr sie herum und kletterte auf den Felsen. Ihr Herz wummerte in ihrer Brust, als würde es zerspringen, und ihr Magen war ein einziger Knoten.
Derek bekam sie im Aufstieg zu fassen, aber sie kletterte weiter, wild
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