Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
wusstest, dass sie da war. Du wusstest es, bevor sie sich gezeigt hat.«
»Ich wusste es erst eine Sekunde vorher. Wenn ich es früher gewusst hätte, hätte ich dich davon abgehalten, hinunterzuspringen.«
Die Sonne schickte gleißende Strahlen durch das Laub der Bäume, und Kylie hatte Schwierigkeiten, richtig zu sehen. »Wie? Woher wusstest du das?«
Er sprang vom Felsen und kam sicher neben ihr zum Stehen. »Es ist Teil meiner Gabe«, sagte er, schien aber nicht sehr glücklich darüber zu sein.
»Du kannst die Zukunft vorhersagen?«, fragte sie.
»Schön wär’s.«
»Was denn sonst?«
»Ich kann auch die Gefühle von Tieren und Lebewesen lesen.« Er schob die Fingerspitzen in die Hosentaschen.
»Wow.« Sie versuchte, die Information zu verarbeiten. »Das ist …«
»Seltsam, ich weiß«, grummelte er. »Als wäre ich Tarzan oder so. Holiday meint, ich könnte es ausschalten. Deshalb bin ich hier. Um zu lernen, wie das geht. Auch wenn Holiday nicht begeistert ist von meinem Vorhaben. Sie denkt, ich enttäusche irgendeinen Feen-Gott, wenn ich mich gegen meine Gabe richte. Aber der Feen-Gott kann mir gestohlen bleiben. Ich habe nicht um meine Gabe gebeten. Die einzige Fee, die ich je kannte, hat mich und meine Mutter sitzenlassen. Warum, zum Teufel, sollte ich so sein wollen wie mein Vater?«
Kylie konnte den Schmerz in seiner Stimme hören und fühlte mit ihm. »Das verstehe ich. Es tut mir leid.«
Sie meinte es wirklich so. Nicht nur, weil sie wusste, wie sich die Ablehnung eines Elternteiles anfühlte, sondern weil sie, falls sich herausstellte, dass sie übernatürlich war, ebenfalls vorhatte, ihre Gabe postwendend zurückzugeben. Während allerdings in Dereks Fall viel emotionaler Ballast im Spiel war, ging es bei Kylie hauptsächlich um einen Haufen unbeantworteter Fragen. Obwohl sie wusste, dass die Wahrheit schmerzhaft sein konnte, brauchte sie wirklich dringend Antworten.
Und dort, mitten im Wald, umgeben von Sonne und Schatten, fühlte sie sich beinahe schon in die übernatürliche Welt hineingezogen. Sie beschloss, die Antworten zu finden.
Sie begegnete wieder seinem Blick. »Mit Tieren zu kommunizieren, kann nicht halb so schlimm sein wie … andere Sachen.«
Er kickte einen Stein in den Fluss. »Wie Geister zu sehen?«, fragte er und hatte damit mehr verstanden, als ihr lieb war.
»Unter anderem«, sagte sie aufrichtig. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, aufzuwachen und festzustellen, dass ich … Blut trinken muss.« Nur die Erwähnung des Wortes erinnerte sie an das, was Derek getan hatte, um ihren Namen für dieses Treffen zu bekommen.
Und sie konnte es nicht zulassen. Sie wusste zwar noch nicht wie, aber sie musste es verhindern.
Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Wir sollten besser zurückgehen.«
Er griff nach ihrer Hand und drehte ihr Handgelenk, damit er die Uhrzeit lesen konnte. Die Berührung seiner Hand schickte bittersüße elektrische Ströme ihren Arm hinauf, und sie dachte daran, dass sie beinahe zugelassen hatte, dass er sie küsste. Oder hatte sie ihn beinahe geküsst?
»Wir haben noch eine halbe Stunde«, meinte er, ihre Hand immer noch in seiner.
Sie zog die Hand weg und dachte daran, wie seine Berührung ihre Gefühle kontrolliert hatte, als sie die Schlange gesehen hatte. Er hatte ihr wahrscheinlich das Leben gerettet, aber darum ging es jetzt nicht. Sie mochte den Gedanken nicht, dass irgendjemand sie kontrollierte. Oder sie manipulierte. »Ja«, sagte sie. »Aber wir müssen uns ja auch noch etwas einfallen lassen, wie wir dich aus dieser Blut-Abmachung raushauen.«
Sein Blick verfinsterte sich. »Die Sache ist abgemacht, da gibt es kein Zurück. Und außerdem steht das gar nicht zur Debatte.«
»Was, wenn er dich in einen Vampir verwandelt?«
Seine Augen weiteten sich. »O Mann, du denkst, ich lasse zu, dass er mich beißt? Auf keinen Fall. Das ist viel zu riskant und außerdem voll schwul.«
Sie kam sich doof vor und wurde rot. »Aber wie willst du es dann machen?«
»Genauso wie es bei einer Blutspende gemacht wird. Mit einer sterilen Nadel und einem Beutel.«
Sie starrte ihn an, und die Fragen stürmten schneller auf sie ein, als sie sie stellen konnte. »Du gehst zu einem Arzt, um dir Blut abnehmen zu lassen?«
»Nein.« Er lachte. »Die meisten Vampire haben ihre eigenen Instrumente dabei. Sie finden Venen weit besser als die meisten Krankenschwestern. Das ist eines der ersten Dinge, die ein Vampir lernt. Wie man an Blut kommt, ohne den
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