Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
von London gebracht hatte, waren seine Träume durcheinandergeraten. Das lange, üppige Haar, das ihn in seinen Träumen umwogte, in das er hineingriff und das auf seiner Haut kitzelte, war nicht mehr hell, sondern nerzbraun.
Zu erschöpft, um noch länger gegen die köstliche Verlockung des Schlafs anzukämpfen, nickte er ein. Doch irgendwann nahm er unregelmäßig aufflackernde Blitze wahr. Donnergrollen folgte.
In der Stille danach hörte er ein Geräusch.
Es war ein feines Schleifgeräusch und eines, als würden Laken ausgeklopft. Dann ein scharfes Einsaugen von Luft und gequälte Atemzüge.
Hellwach richtete er sich auf.
Selene schrie.
Zorn und der Instinkt, sie zu beschützen, überkamen ihn. Er sprang aus dem Bett und lief durch den Flur, um ihre Tür aufzureißen.
Selene kauerte in der Mitte des Bettes, die Arme um die Knie geschlungen. Ihre reine Haut glänzte, ein leuchtender Kontrast zu ihrem schwarzen Nachtgewand. Ihr Gesicht war verängstigt, die Augen riesig.
Das Fenster hing offen, und die Läden klapperten gegen die Steinmauer.
Er roch kein Blut. Spürte keinen Eindringling.
Als sie ihn sah, schrie sie abermals und rutschte auf der Matratze nach hinten. Da begriff er, dass er sich
verwandelt
hatte. Nicht in Schatten, sondern in den Krieger, der er wurde, wenn er bereit war zu töten; seine Haut glühte und verströmte amaranthinische Macht, und seine Körperkraft verstärkte sich noch. Sein Hals und seine Schultern waren mächtig und bullenähnlich, die Arme und Beine muskelstrotzend. Sengender, weißglühender Schmerz fuhr ihm durch die Schulterblätter, aber mit einem Stöhnen bekämpfte er den Instinkt, seine Flügel zu entrollen. Für ihre durch den Impfstoff geschwächten Augen würde der Raum dunkel sein, und sie würde nur seine glühenden Augen und seine hohe Gestalt sehen – etwas, das ihr unter normalen Umständen niemals Angst machen würde.
Also, was war hier passiert?
Seine Augen wurden wieder menschlich, und er trat vor, um sie an den Schultern zu packen. »Selene, ich bin es.«
Sie versuchte sich wegzudrehen, schlug nach seinem Kinn und trat gegen seinen Oberschenkel.
»Halt. Selene. Hören Sie auf zu
schreien
. Ich bin es, Rourke.«
Sie erstarrte. »Rourke?«
Ihre Fingerspitzen strichen über sein Gesicht.
»
Rourke!
«
Sie sprang vom Bett in seine Arme, ihr Haar umhüllte ihn, ihre Arme und Beine umschlangen ihn. Das Nachthemd rutschte ihr bis über die Oberschenkel hoch und entblößte glatte, goldene Haut. Für einen kurzen Moment umarmte er sie in einem wilden Aufwallen von Verlangen und Sorge, dann drückte er sie aufs Bett hinab. Doch sie weigerte sich immer noch, ihn loszulassen.
»Was ist los? Was ist passiert?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie und schaute auf die Laken hinab. »Ich glaube, da war etwas hier bei mir im Bett.«
»Etwas? Was für ein Etwas?«
Sie schloss die Augen. »Oh … Es war ekelhaft, Rourke. Wie ein großer …
Wurm
.« Sie schüttelte sich. »Weiß und kalt und schleimig. Ich kann ihn noch immer riechen,
uh
, wie der Tod. Schlimmer als der Tod.« Sie presste sich eine Hand auf Mund und Nase, als würde sie sich übergeben. »Riechen Sie es nicht auch?«
Er roch es nicht. Er roch nur sie, und sie roch so verdammt gut, dass er sie auf die Matratze drücken und Gesicht und Mund über ihren Hals und ihre Brüste streichen lassen wollte und …
»Selene …« Er machte sich von ihr los, um ihre Haut und die Laken auf irgendetwas abzusuchen, das dort nicht hingehörte, aber er sah nichts. Keine blauen Flecken. Keinen Schleim. »Ich sehe nichts, aber ich werde die Lampe entzünden, damit wir zusammen nachschauen können.«
»Ja.« Sie nickte; ihr Gesicht wirkte klein und beinahe zierlich inmitten der Fülle ihres zerzausten Haars.
Er fand die Streichholzschachtel und entzündete die Lampe. Wieder durchsuchte er die Laken, und ohne sie zu berühren, untersuchte er Selenes Haut. Nichts.
Obwohl sie nach ihm griff, schritt er zum offenen Fenster hinüber. Sie sprang vom Bett und gab ein »Autsch« von sich
,
als sie offenbar ihr volles Gewicht auf den Knöchel verlagert hatte, dann stürzte sie gegen seinen Rücken. Er biss die Zähne zusammen und betete um Barmherzigkeit. Ihre Brüste, bedeckt nur mit schwarzer Seide, fühlten sich an seinem nackten Rücken wie üppige, reife Paradiesfrüchte an.
»Waren die Fensterläden entriegelt, als Sie schlafen gegangen sind?«
»Ich weiß es nicht«, wisperte sie neben seinem
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