Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Geschenk; sie wollte nur, dass er ging.
»Ich werde unten auf Sie warten. Seien Sie vorsichtig, wenn Sie herunterklettern.«
»Was?«, stotterte sie. »Ich klettere nicht hinunter …«
Elena entdeckte ein Bündel auf dem Sims – ein dunkles Bündel. Sie ging darauf zu und stocherte mit dem Finger darin herum. Als es weder knurrte noch biss, nahm sie es auf und stellte fest, dass es ein Männermantel war … ein Hemd … und Hosen.
Archer lehnte an einem Baumstamm im Garten und wartete. Schon bald sah er sie ans Fenster zurückkehren, angetan mit den Kleidern, die er auf dem Sims hatte liegen lassen. Dankbarkeit durchflutete ihn. Sie ließ ihre Tasche fallen. Leise plumpste sie auf die Erde; offensichtlich hatte Elena ihre Kleidung hineingestopft.
Er ging über den Hof, um die Leiter festzuhalten, während er den erregenden Anblick von Elenas Hinterteil in den Hosen betrachtete, als sie hinabstieg. Er wich nicht zurück, auch nicht, als ihre Füße die unterste Sprosse berührten. Als sie sich umdrehte, hielt er sie mühelos in einem Käfig, bestehend aus der Leiter und seinen Armen.
Ihr helles Haar leuchtete wie Gold auf den Schultern des Herrenmantels. »Ich verachte Sie immer noch für das, was Sie getan haben.«
»Was Sie durchaus sollten.« Er setzte ihr einen Zylinder auf den Kopf und klopfte ihn an die richtige Stelle.
»Für jemanden, der darauf besteht, dass ich ein respektables Leben führe und heirate, scheinen Sie bemerkenswert entschlossen zu sein, meinen Ruf zu ruinieren.«
Sie hatte recht. Sein logischer Verstand sagte ihm, dass er sie gehen lassen und ihr erlauben sollte, ihr eigenes Leben zu führen – aber er konnte sich nicht dazu durchringen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Gleichzeitig segelte er unter falscher Flagge. Er musste sie nach Black House zurückbringen und in Sicherheit, bevor die vorausgesagte Welle aus dem Tartaros über London hinwegglitt – bevor der Ripper sein nächstes Opfer fordern würde. Irgendwie hatte er gewusst, dass sie einem Abenteuer nicht würde widerstehen können.
»Kommen Sie.« Er bückte sich, um ihre Tasche aufzuheben.
Sie umrundeten schnell das Haus und gingen auf die Straße.
»Wohin bringen Sie mich?«, fragte sie mit leiser, verschwörerischer Stimme. Sie berührte ihre Locken unter dem Hut. »Zum Glücksspiel? In ein übel beleuchtetes Haus? Werden Sie endlich Ihre dunklen Geheimnisse mit mir teilen?«
»Warten Sie’s ab.«
Er hob die Hand, um eine Droschke anzuhalten. Eine schwenkte über die Straße und blieb vor ihnen stehen. Im Innern ließ sich Elena auf die Bank sinken. Archer schlüpfte neben ihr hinein. Eine gute halbe Stunde fuhren sie schweigend durch die Nacht.
Auf sein Zeichen hin stiegen sie in einer schmalen Durchgangsstraße aus, die mit Gehsteigen und adretten Mittelklassehäusern gesäumt war. Obwohl eine Handvoll Passanten vorübereilte und eine Kutsche holpernd vorbeifuhr, lag über dem Viertel eine Atmosphäre von Stille, wie sie in den raueren Bezirken der Stadt unbekannt war.
»Da wären wir«, sagte er und blieb auf dem Gehsteig stehen.
»Endlich«, antwortete sie wenig beeindruckt.
Die Fassade des Hauses weckte in Elena nicht gerade großartige Erwartungen – vielmehr erschien sie ihr verdächtig. Eiserne Lampen hingen zu beiden Seiten der Tür, doch sie brannten nicht, und Elena konnte auch kein Licht durch die Fenster sehen. Warum sollte Archer sie, verkleidet als Mann, zu einem verlassenen Haus bringen? Er stieg die Vortreppe hinauf und klopfte. Die fensterlose Holztür öffnete sich knarrend nach innen, und ein graubärtiges Gesicht erschien.
Archer verkündete mit leiser Stimme: »Lord Black und Mr Flowers.«
Elena vermutete, dass sie Mr Flowers war. Sie atmete nervös aus, zog den Hut tief in die Stirn und hoffte, dass das weite Bein ihrer Hose auch die Taftschleife auf ihrem Schuh verbarg.
Der bärtige Mann wich in die dunkle Eingangshalle zurück, verbeugte sich und zog die Tür weit auf, damit sie eintreten konnten. »Willkommen, Euer Gnaden. Wir haben Sie erwartet.«
Archer stellte ihre Tasche an die Wand. Elena schob die Hände in die schmalen Taschen ihres Mantels und folgte ihrem hünenhaften Begleiter durch einen kurzen Flur. Gespräche summten, geführt von vielen männlichen Stimmen, aber bei ihrer Ankunft verstummten sie sofort. Alle Gesichter im Raum wandten sich ihnen zu. Die Männer trugen respektable Westen und Anzüge. Weggelegte Zylinder und Melonen häuften sich auf zwei
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