Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
den alten Herrn liebe. Draper hat ihn dazu gezwungen, darauf zu bestehen, dass mich Cavanaugh im Rahmen der Fusion der beiden Unternehmen als Angestellten übernimmt. Aber selbst mit dieser Referenz hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich mich halbwegs frei innerhalb der Organisation bewegen konnte, weil Cavanaugh ganz einfach niemandem vertraut.«
Er massierte sich die Schläfen, als ob er plötzlich Kopfweh hätte, fuhr aber mit seiner Erklärung fort.
»Es war ziemlich einfach, meine Spuren zu verwischen. Wir brauchten nur genügend Rauch zu machen, damit die Verbindung zwischen Joe und meiner Mutter und auch meine Adoption dahinter verschwand. Ich wollte nicht, dass Cavanaugh etwas davon erfährt. In seiner Welt ist jegliche Verletzlichkeit ein Anzeichen von Schwäche. Ich habe mich bereit erklärt, als Informant zu arbeiten, damit Joe nicht ins Gefängnis muss. Das hätte er einfach nicht verdient.«
»Der Mann ist der Kopf einer kriminellen Organisation, Diego. Er ist nicht gerade ein Unschuldslamm.«
»Hör zu, Rebecca. So habe ich ihn nie gesehen. Ich weigere mich, einen Menschen zu verurteilen, der meiner Mutter ihren Seelenfrieden gegeben hat, als sie ihn am meisten brauchte. Weißt du, wie schwer es für mich war anzusehen, wie meine Mutter jeden Tag ein bisschen starb? Das Wort machtlos beschreibt noch nicht mal ansatzweise das Gefühl, von dem ich damals befallen war. Ich hatte nichts, was ich ihr geben konnte, außer Angst.«
Becca spürte seinen Schmerz, sah ihn in seinem Gesicht, hörte ihn seiner Stimme an. Sie nahm eine seiner Hände zwischen ihre Hände und spürte die Wärme seiner Haut. Es war nicht nur eine Geste des Mitgefühls, denn wenn sie ehrlich war, brauchte sie ganz einfach den Kontakt. Das Verlangen nach Berührung war für sie wie eine Sucht.
»Aber Joe hat das alles verändert. Er hat ihr geschworen, sich um mich zu kümmern. Was ihr wirklich wichtig war. Als sie wusste, dass ich nicht alleine wäre, konnte sie akzeptieren, dass sie sterben würde, und hat ihren Frieden mit dem Tod gemacht.« Diego atmete tief ein und fuhr dann fort. »Es wäre leicht gewesen, einer Sterbenden ein leeres Versprechen zu geben, aber Joe hat sein Versprechen gehalten. Er hat meine Mutter geliebt, dafür schulde ich ihm mein Leben.«
Die Bedeutung von Familie. Sie verstand nur allzu gut, was er empfand. In Diegos Welt hatte Loyalität ganz einfach ihren Preis. Auch wenn der Mensch, der diesen Preis bestimmte, Draper war. Diego war bereit, den Preis eines Mannes wegen zu bezahlen, der seiner Mutter auf dem Totenbett mit echtem Mitgefühl begegnet war. Joseph Rivera hatte sein Versprechen nach dem Tod der Frau gehalten – weshalb Diego ihm auch heute noch verbunden war. Er hielt zu dem Mann, der für ihn wie ein Vater war. So, wie sie die Sache sah, war Diego offenbar der Einzige, der keine eigenen Pläne hatte und für den es bei dem ganzen fürchterlichen Spiel nicht das Geringste zu gewinnen gab. Sie verspürte ehrlichen Respekt vor diesem selbstlosen Akt der Liebe und ehrlichen Pflichtgefühls.
Ihrer Meinung nach hatte das FBI die Situation ganz einfach schändlich ausgenutzt. Draper spielte mit der Liebe eines Sohns zu seinem Vater und setzte sie gnadenlos in seinem Kampf gegen ein Verbrechen ein. Aber rechtfertigte der Zweck tatsächlich jedes Mittel? War sein Kampf tatsächlich noch gerecht?
Becca konnte Drapers Gründe teilweise verstehen. Die Polizei war allzu oft im Nachteil, wenn sie sich in einer kriminellen Welt, die keine Grenzen und keine Gesetze kannte, immer an die Regeln hielt. Erst gestern hatte sie selbst Diego in der Hoffnung, ihn für ihre Zwecke einspannen zu können, regelrecht erpresst. Hätte sie ihre Drohungen, falls er ihr widerstanden hätte, wahr gemacht? Das fände sie dank Diegos Sinn für Fairness nie heraus. Doch sie musste sich der harschen Wahrheit stellen. Genau betrachtet war sie nicht besser als der Kerl vom FBI.
Das machte ihr eine Heidenangst.
»Ich dachte, du wärst so eine Art Muskelmann des organisierten Verbrechens. Ein Typ, der den Forderungen dieser Kerle den nötigen Nachdruck verleiht«, gestand sie widerstrebend ein. »Was hast du für Rivera getan, bevor all das angefangen hat? Du siehst aus wie ein Typ, der auf sich aufpassen kann. Erzähl mir also bitte nicht, dass du sein Buchhalter warst. Die Rolle des harmlosen Erbsenzählers nehme ich dir nämlich ganz sicher nicht ab.«
Er lachte leise auf. »Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst,
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