Shadow Touch
an dem sie allzu lange verweilen wollte, und noch weniger, wenn die einzige Quelle für Toilettenpapier Zugbegleiterin Gogunov war. Ein Blättchen reichte wirklich nicht aus.
»Also«, sagte Artur, nachdem sie Bier bestellt hatten. »So weit haben wir es jedenfalls geschafft.«
»Beschrei es nur nicht«, bat Elena.
Amiri hatte eben noch die hügelige Landschaft mit ihren Birkenwäldern aus dem Fenster betrachtet, beugte sich jetzt vor und faltete auf dem weißen Tischtuch seine Hände. Aus den Lautsprechern drang leise irgendeine dezente elektronische Hintergrundmusik. »Da sie uns bis Wladiwostok gefolgt sind, müssen wir wohl davon ausgehen, dass sie auch sehr bald herausfinden, dass wir in diesen Zug gestiegen sind. Es könnten sogar in diesem Augenblick irgendwelche Agenten im Zug sein, die nur darauf warten, uns zurückzuschleppen.«
»Dieses Risiko besteht«, gab Artur zu. »Aber der Zug ist ein geschlossener Raum, in dem man sich nur schwer verstecken kann. Und ... ich habe bereits einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen.«
»Vorsichtsmaßnahmen?«, erkundigte sich Elena. »Hast du unsere Abteile mit Selbstschussanlagen versehen?«
»Viel besser. Ich habe Miss Gogunov bestochen. Sie hält Augen und Ohren offen, und veranlasst ihre Kollegen im Zug, dasselbe zu tun. Sie hat mir bereits eine Liste mit allen ausländischen Fahrgästen gegeben und versprochen, mir sofort Bericht zu erstatten, sobald sie etwas auch nur annähernd Verdächtiges sieht.«
»Und Sie vertrauen ihr?« Rik sah ihn ungläubig an. »Das hier ist kein Actionfilm, wissen Sie?«
»Nein«, stimmte ihm Artur gelassen zu. »Es ist das wahre Leben, und zufällig weiß ich eine Menge darüber. Aber ja, ich vertraue darauf, dass sie sich an unsere Vereinbarung hält. Sie wird gut dafür bezahlt, einen Job zu erledigen, den sie
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normalerweise auch von sich aus machen würde. Geld dafür zu bekommen, Tratsch weiterzugeben, ist der reine Luxus, und das weiß sie.«
»Außerdem«, warf Elena ein, »möchte sie Kinder von i hm . Oder Enkelkinder. Jedenfalls möchte sie etwas von ihm, so oder so.«
»So oder so?«, fragte Amiri amüsiert.
»Beides.«
Artur hüstelte. »In sechs Tagen erreichen wir Moskau. Wir müssen bis dahin nur in Deckung bleiben.«
Die säuerliche Serviererin brachte das Bier und knallte die vier Flaschen wortlos auf den Tisch. Als sie weiterging, um den Amerikanern ihre Bestellung zu bringen, sagte Rik: »Die Zugfahrt macht mir keinen Kummer. Ich habe eher Bedenken wegen Moskau. Sicher, ich habe eingewilligt, mitzukommen und zu helfen, und ich werde auch mein Bestes dazu tun, aber das hier ist doch einfach verrückt.«
Elena pflichtete ihm bei. Es war tatsächlich verrückt. Aber es war eine Form von Verrücktheit, bei der sie mitmachen konnte, weil sie die Alternative kannte. Sie erfasste zwar nicht annährend so gut wie Artur, was es bedeutete, wenn Beatrix Weave die zerstreuten Mafiasyndikate in Russland kontrollierte, aber sie hegte doch keinerlei Zweifel daran, dass es eine sehr üble Angelegenheit sein würde.
Und vielleicht konnten sie, wenn es ihnen gelang, Beatrix Weaves Pläne diesbezüglich zu durchkreuzen, sie auch endgültig erledigen. In diesem Fall würde Elena wieder nach Hause zurückkehren können. Wenngleich auch nicht unbedingt für immer. Nach diesen Erfahrungen wäre ihr Leben dafür zwar niemals mehr sicher genug, aber wenigstens konnte sie ihren Fuß wieder auf ihre Heimaterde setzen. Dafür würde sie sehr viel geben.
»Sie haben uns eine sehr schwierige Aufgabe auferlegt«, erklärte Amiri. »Ihren eigenen Worten zufolge haben wir es nicht nur mit einer Frau, sondern mit einer ganzen Organisation zu tun. Sollten sich diese Mafiabosse auf ihre Seite stellen, hätten wir außerdem noch sämtliche Verbrechersyndikate Russlands gegen uns.«
»Stimmt.« Artur nippte an seinem Bier. Alle warteten gespannt darauf, dass er fortfuhr. Er tat es aber nicht.
»Weißt du«, sagte Elena schließlich gedehnt, »je länger du Stillschweigen über deine Pläne wahrst, desto wahrscheinlicher wird, dass wir sie aus dir herausprügeln.«
»Sicher«, antwortete Artur.
»Würde dir das gefallen? Ich könnte nämlich sofort damit anfangen. Und ich bin sicher, dass ich es recht gut anfangen würde. Von wegen aufgestauter Ärger und dergleichen.«
»Klar«, sagte Artur. »Davon bin ich überzeugt.«
Elena wechselte gereizte Blicke mit Rik und Amiri. »Ich fasse es einfach nicht. Du hast keine Ahnung, was du
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