Shadow Touch
Denn, hey, wenn das hier ein Frisiersalon oder eine Kosmetikschule sein sollte, haben Sie das falsche Mädchen entführt.«
»Sie sind richtig komisch«, erklärte Rictor, wirkte dabei jedoch, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. »Ich habe schon seit langem nichts Komisches mehr gesehen.«
»Ja«, antwortete Elena, »das kann ich sehen.«
Er ignorierte ihre Bemerkung. »Ihr Haar ist vollkommen ruiniert. Der Doktor hält es für entbehrlich. Er will, dass ich es schneide.«
»Ihr Arzt ist ein beknackter Schwachkopf. Was, glaubt er, kann mein Haar tun? Jemanden verprügeln?«
Rictor hob die Hand, in der er eine glänzende Schere hielt. Elena schrak zusammen, als hätte er gerade einen Zaubertrick vorgeführt. Wo hatte er sie her? Und: Konnte sie ihn damit erstechen, wenn es ihr gelang, das Ding in die Finger zu bekommen?
Durch die Augen und den Hals. Durch weiche Körperstellen.
»Es ist vielleicht sicherer, wenn ich es mache«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Elena sah ihn finster an. »Lassen Sie mich bloß in Ruhe. Habt Ihr Kerle nicht schon genug angerichtet? Außerdem ist es in dieser Zelle kalt. Wenn Sie mir das Haar abschneiden, werde ich erfrieren.«
Sein Kiefer mahlte, und in seinen Augen lag keinerlei Mitgefühl. »Ich kann Sie dazu zwingen.«
»Sie können mich zu vielen Dingen zwingen. Das können alle hier. Also, was hält Sie auf?«
»Also gut.« Bevor Elena ihn hindern konnte, packte er eine Handvoll ihres Haares und schnitt es ab. Sie schrie und versuchte, sich aus seinem Griff zu winden, aber er drückte sie mit seinem Körper gegen einen Spind und schnitt weiter. Große Haarbüschel fielen um ihre Füße, zehn Jahre, die ihr Großvater über diese langen braunen Strähnen gelächelt hatte. Elena grub ihre Fingernägel in Rictors Nacken und zog sie ihm über die Haut. Er grunzte, schnitt jedoch weiter.
Dann ließ er sie so plötzlich los, dass es sie fast wie ein Schock traf. Elena taumelte und hielt sich an dem Spind fest. Nun berührte sie mit der Hand ihren Kopf. Sie spürte nur noch Stoppeln. Es fühlte sich leicht an - und kühl.
»Schon besser«, erklärte Rictor vollkommen emotionslos. Auf seinem Hals leuchteten lange rote Striemen. Der Boden sah aus wie der Rücken eines Wookie. »Waschen Sie sich den Kopf, im Waschbecken. Wir haben nicht viel Zeit.«
Als Elena nicht sofort reagierte, packte er sie am Arm und zerrte sie zu dem tiefen weißen Waschbecken. Dann nahm er eine Flasche mit Shampoo aus einer offenen Dusche und reichte sie ihr.
»Ich will das nicht auch noch für Sie tun«, sagte er. Elena glaubte ihm. Sie nahm das Shampoo und wusch sich die Reste ihres Haares. Es dauerte weniger als eine Minute; schließlich war kaum noch etwas übrig.
Als sie fertig war, hielt er ihr ein Handtuch hin. Sie rubbelte sich wütend und frustriert den Kopf und deutete dann zitternd darauf. »Sauber genug?«
»Reiben Sie es noch etwas trockener«, riet er ihr. »Es darf nicht feucht sein.« Das war eine Information, die Elena eine ungefähre Vorstellung davon vermittelte, warum der Arzt der Meinung gewesen sein mochte, dass ihr verfilztes Haar entbehrlich wäre. Obwohl seine Handlungen eher dem Sadismus und der Kontrolle zu entspringen schienen als exakter medizinischer Wissenschaft.
Elena rieb ihr Haar trocken, bis Rictor meinte, es wäre nun genug. Sie verließen den Duschraum zusammen.
Diesmal ging er schneller. Elena hatte Mühe, Schritt zu halten. Sie betrachtete die Korridore so genau, wie sie konnte, prägte sich jede Biegung und Auffälligkeit ein. Schließlich glaubte sie, dass sie hierher zurückfinden könnte, falls sie die Möglichkeit dazu bekäme. Vielleicht konnte sie sogar mehr als das tun, so verlassen, wie dieser Ort wirkte.
Oder auch nicht, dachte sie, als sie plötzlich einen Schrei hörte. Von einem Mann. Er kam von ferne; das Echo seiner gequälten Stimme wurde von dem langen Korridor verzerrt, bis es sich eher wie der Schrei eines Tieres anhörte als der eines Menschen. Vielleicht war es auch gar kein Mann gewesen, und sie hatte sich den kurzen Augenblick nur eingebildet, in dem dieses hohe, gellende Kreischen wie das einer Wildkatze nach einem menschlichen Bariton klang. Elena stolperte.
»Gehen Sie weiter!«, befahl Rictor.
»Was tut man ihm an?« Das Schreien hörte nicht auf; es war ein Heulen, das ihr beinahe das Herz brach - und ihr gleichzeitig eine höllische Angst einjagte.
»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«,
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