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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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ein gutes Licht auf das Konsortium warf.
    Außerdem beschäftigten sie Serienmörder. An einer Leine. Wenn das Konsortium dies mit diesem Mann tun konnte, taten sie es vielleicht auch mit anderen.
    Genau das haben sie mit mir vor.
    »Kommen Sie«, sagte Charles zu Artur. Es war beunruhigend, dass dieser Mann mit ihm sprach, dieser Mörder, an den er sich durch Marilyns Augen erinnerte, durch die Augen einer Sterbenden.
    Charles deutete auf die offene Tür. Arturs Blick zuckte zu den Resten seiner Unterwäsche. Unmöglich. Er musste sich damit abfinden. Er musste die Lage zu seinen Gunsten nutzen, ganz gleich, wie sehr es seinen Geist schmerzte. Er musste so lange durchhalten, wie er konnte, bis Dean und die anderen von der Agentur ihn fanden. Oder er eine Möglichkeit auftat, aus eigener Kraft zu fliehen.
    Artur trat aus dem Raum in einen kahlen Korridor, an dessen Wänden weiße Rohrleitungen am Hang liefen. Seine Füße berührten den Zementboden und ... Ein Bombardement frischer Eindrücke: Aufregung, Sorge, Furcht. Die klaren Absichten von Männern und Frauen, die mit klinischer Distanz und Zielgerichtetheit handelten.
    Aber nicht viele Menschen. Artur begegnete immer wieder denselben Geistern: weiße Kittel, schwarze Monitore, Glasfenster ... Das Empfinden einer großen Einrichtung. Weich gepolsterte Räume, Stahltische. Ein dunkler Gang mit Vorhängen. Jeder Schritt öffnete die Tür in eine neue Welt von Erinnerungen, die ihn warm durchfluteten, so wie der Schmerz von der Basis seines Schädels in seine Augen und Ohren ausstrahlte. Artur nahm jede Vision in sich auf, stieß sie dann wieder zurück, weg, tief hinein in sein Unterbewusstes, wo sie wartete, bis sie sich später vielleicht als nützlich erwei-sen konnte, wo er bis zu dem Zeitpunkt der Erinnerung versuchen konnte, all diese Leben zu vergessen, die er im Vorübergehen aus ihrem Widerhall geraubt hatte.
    Die Flure kamen ihm bekannt vor, nachdem er sie immer wieder durch fremde Augen gesehen hatte. Er wusste, dass etwa fünfzig Meter weiter links der Speisesaal lag, und hinter einer Ecke etwas weiter entfernt befanden sich die Männerduschen. Dann tiefer, viel tiefer ... Die Bilder drehten sich durch seinen Kopf: ein Delfin in einem großen Tank, die glatte graue Haut mit Sensoren übersät, Männer und Frauen, die ihn anstarrten und warteten, starrten - oh, mein Gott, oh, mein Gott eine Wildkatze, die in ihrem Käfig rastlos im Kreis lief, in ihren goldenen Augen leuchtete Intelligenz - so verflucht störrisch, dass wir es als Nächstes mit Stromstößen versuchen werden. Ein Raum, den niemand betreten durfte, niemals, eine Kammer - das Schwarze Loch - voller Geheimnisse, die nur eine Handvoll Menschen kannten, die Bosse, die - Frauen in Hosenanzügen, mit Händen wie Pistolen. Denn wenn sie auf dich deuten, dann peng, peng, und du bist tot.
    Eine Ebene tiefer. All diese Dinge, die er gesehen hatte, lagen eine Ebene tiefer. Artur kannte sie so gut wie jene Einzelnen, die über diesen Boden gegangen waren, dorthin getreten waren, wo Artur seinen Fuß hinsetzte. Ein Code tauchte in seinem Kopf auf. Ein Zugang zu dieser Ebene. Ein Zugang zu noch viel mehr als diesem.
    Das war gewiss ein Trick. So dumm war Miss Graves nicht.
    Aber sie ist überheblich. Manchmal ist das ein und dasselbe.
    Die Basis seines Schädels pulsierte, wie Finger, die sich rhythmisch in sein Stammhirn gruben und die Fasern seines Verstandes eine nach der anderen zerfetzten. Die Peinlichkeit der Nacktheit verblasste neben Arturs Kampf, sich auf den Füßen zu halten. Er sah Charles an, der ruhig und gelassen neben ihm herging. Marilyn flehte noch immer um ihr Leben. Artur hätte den Mann am liebsten getötet.
    »Die meisten Wachen fesseln ihre Gefangenen. Sie fürchten nicht, dass ich einen Fluchtversuch unternehmen könnte?«
    Charles sah ihn nicht einmal an. »Sie sind zu schwach, um gegen mich zu kämpfen. Sie können ja nicht mal weglaufen. Und selbst wenn Sie nicht schwach wären, könnten Sie nicht entkommen. Von hier flieht niemand. Niemals.«
    »Sie konnten fort.«
    Charles lächelte. »Ich bin kein Gefangener.«
    Das stimmt nicht. Artur beschwor seine Visionen. Du bist hier viel gefangener als ich.
    Er hörte Schritte; schwere Stiefel und leichtere Schritte, dazu das Rascheln von Stoff. Der Korridor gabelte sich; aus der Einmündung tauchten zwei Gestalten auf. Ein großer, muskulöser Mann mit dunkelbrauner Haut und eine kleine, blasse Frau, die einen blutgetränkten

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