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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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einen anderen wirklich war, einen Mann, dessen Hand sich auf Arturs Körper presste und die Verbindung aufrechterhielt, um so eine Möglichkeit zu bieten. Diese kalte Haut, das eisige Herz, das noch viele Geheimnisse verraten konnte.
    Jetzt gehörst du mir, sagte Artur. Sein Geist bildete eine Nadel, stieß zu, mit aller Kraft, durch die Erinnerungen, durch den Fluss der Gedanken seines Angreifers. Bis zu einem kalten Ort, einem gewaltigen Verlies mit vielen dunklen Schichten. Artur sah einen Jungen, denselben Jungen, der von einem Mann blutig geschlagen wurde - Vater, mein Vater - und taumelnd seine Hosen hochzog, den Schmerz zu ignorieren suchte, die Scham - Warum? Warum? Dann lief der Junge fort, in den Wald, weiter, in die Stadt hinein, überlebte durch Diebstähle, Mord, Prostitution, durch ...
    »Raus aus meinem Kopf«, knurrte der Mann. Er ließ Artur los, wollte zurücktreten, aber Artur drehte sich herum und erwischte ihn am Knöchel, hielt ihn fest. Die Schutzschilde des Mannes waren verschwunden. Neue Bilder füllten Arturs Kopf: eine kleine Frau mit unmenschlichen Augen, schwarzen, fremdartigen Augen, blonden Locken, die ihr bis auf die blassen Schultern fielen. Sie war an einen Rollstuhl gefesselt und lächelte, lächelte unaufhörlich ...
    Der Mann trat Arturs Hand weg, aber zu spät; er hatte seine bittere, stille Wut schon verraten, die Wut darüber, dass er an eine solche Frau gefesselt war, an ihren Körper und ihre Seele - der schwarze Faden einer Spinne - der ihn wie einen Hund an der Leine hielt, wie einen - Soldaten, ihr erster Wächter und ihre Stimme in seinen Träumen hörte - endlos und unsterblich.
    Der Mann berührte seinen Kopf, langsam und bewusst. »Das hätten Sie nicht tun sollen.«
    Artur stand mühsam auf, versuchte seine Konzentration von dem Feuer in seinem Kopf abzulenken. »Sie sind erbärmlich. Nicht einmal Ihr eigener Herr, was? Sie sind ein Witz. Sie haben mir Ihre schlimmste Seite gezeigt, weil Sie glaubten, es wäre mehr, als ich verkraften könnte, aber Ihr Schlimmstes ist gar nichts. Sie sind nichts, Charles Darling.«
    Der Name entschlüpfte ihm einfach so, ein Geschenk seines Unterbewusstseins. Artur war augenblicklich klar, dass dies nicht sein richtiger Name war, sondern einer, den der Mann schon so lange benutzt hatte, dass er zu einem Teil seiner Identität geworden war. Der einzigen Identität, die für ihn zählte.
    Charles erstarrte. »Wie bedauerlich«, sagte er dann leise, mit einer Stimme, die vor Gift troff. »Es gibt nicht viele Menschen, die diesen Namen kennen.« Er warf einen Blick auf seine beiden Kollegen, von denen einer bei Bewusstsein war, der mit der zerschmetterten Kniescheibe. Er hatte zwar aufgehört zu schreien, aber sein kalkweißes Gesicht war schweißgebadet. Er wiegte sich vor und zurück. Artur glaubte nicht, dass er etwas von ihrem Gespräch gehört hatte, denn er schien von seinem Schmerz vollkommen absorbiert zu sein.
    Mit zwei schnellen Schritten stand Charles neben dem Mann, packte seinen Kopf, und drehte ihn ruckartig nach rechts. Artur hörte das Knacken. Der Mann sank tot zusammen. Es war schnell gegangen, gnadenlos, atemberaubend effizient.
    Charles richtete seinen Blick auf den zweiten Mann, der noch immer bewusstlos am Boden lag. »Und? Was denken Sie?«
    Artur glaubte, dass er ziemlich in der Klemme steckte. »Der Mann ist bereits so gut wie tot, für die Welt. Es ist überflüssig, diesen Zustand dauerhaft zu gestalten.«
    Charles’ Mundwinkel zuckte. »Dauerhaftigkeit ist meine Spezialität. Aber das wissen Sie ja.«
    »Allerdings.« Doch die Erinnerungen in seinem Kopf flüsterten ihm etwas zu, Regeln - es gab Regeln und dann noch etwas. Noch jemanden. Ein dunkelhäutiges Gesicht, grüne Augen. Und dann diese andere, eine Frau. Süße Beatrix. L’Araignee. Die Spinne.
    »Interessant«, fand Charles und glitt von dem Bewusstlosen zurück wie eine Schlange, die bereits eine Maus im Wanst hatte, ihn sich mit Tod vollgeschlagen hatte. Vielleicht würde Charles seinen Kollegen später umbringen, wenn es ihn juckte, wenn er wieder Hunger bekam. Aber fürs Erste war er satt und zufrieden. Genug, um weiterzumachen. Die Regeln, die Charles beschränkten, schützten nicht auch die Leute, mit denen er zusammenarbeitete. Das war kennzeichnend - und bereits bekannt. Wie beim Mob, bei dem ebenfalls gewisse Leute entbehrlich waren: ersetzbare Ressourcen, die weggeworfen wurden, wenn sie beschädigt oder unbequem waren. Was nicht gerade

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