Shadowblade 02 - Schwarzes Feuer
ansonsten hatte sie keinerlei Ähnlichkeiten mehr mit dem kleinen Mädchen von damals – Anne. Ihr Name war Anne gewesen. Niemand außer Giselle wusste das. Obwohl sie nie vorgehabt hatte, in ihr altes Leben zurückzukehren, hatte sie immer ein Auge auf ihre Familie gehabt, um sich zu vergewissern, dass alle in Sicherheit waren und es ihnen an nichts fehlte. Doch da die Hüter der Menschheit nun den Krieg erklärten, musste sie ihre Verwandten nach Horngate bringen. Sonst würden sie nicht überleben. Nun musste sie sich ihnen also stellen. Wenn sie Scooter dazu bringen konnte, sie lange genug wegzulassen, um sie zu holen.
Wenn.
Fast hätte sie über sich selbst gelacht. Da machte sie sich Sorgen darüber, was ihre Familie sagen würde, wenn sie sie holen käme, und was Niko und die anderen sagen würden, wenn sie ohne ein Wort des Abschieds verschwand. Nur einer von beiden Fällen konnte eintreten, aber sie zerbrach sich den Kopf über beide. Dummkopf.
Tutresiel dachte mit hochgezogenen Brauen über ihre Frage nach. »Das setzt voraus, dass ich Freunde habe.«
»Du lebst schon ziemlich lange. Es wäre wirklich jämmerlich, wenn du nicht wenigstens einen oder zwei hättest. Es sei denn, die sind alle zusammen mit den Dinosauriern ausgestorben.«
Er lächelte. »Es gibt ein paar Leute, die mich vielleicht vermissen würden.«
»Und? Hättest du ein schlechtes Gewissen?«
»Ob ich mich schuldig fühlen würde?«
Sie wandte den Blick ab. »Ich wollte nicht, dass sie versuchen, mich aufzuhalten. Genau das hätten sie getan. Wahrscheinlich wäre es ihnen bei meinem derzeitigen Zustand auch gelungen. Und dann hätten sie an meiner Stelle gehen müssen. Das konnte ich nicht zulassen. Wie dem auch sei, sie werden stinksauer sein, dass ich ohne etwas zu sagen abgehauen bin.«
»Daraus schließe ich, dass du keine Nachricht hinterlassen hast?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich war in Eile.«
Er schüttelte den Kopf und spitzte missbilligend die Lippen. »Sehr gedankenlos.« Er tastete seine superengen Jeans ab. »Und hier stehe ich und habe weder Bleistift noch Papier dabei.« Er hob die Brauen. »Was hättest du ihnen gesagt?«
Sie runzelte die Stirn. Das war es ja. Niko und Tyler waren ihre besten Freunde, und wahrscheinlich wussten sie es nicht einmal. Sie hatte sie immer auf Abstand gehalten, genau wie Lise und Oz – Oz war der Primus der Sunspears und Lise eine aus seiner Truppe. Und Giselle. Sie war …
Max wusste einfach nicht mehr, was die Hexenschlampe für sie war. Was hätte sie zu ihr gesagt? Leck mich? Wir sehen uns in der Hölle? Oder vielleicht … danke. Sie biss sich auf die Zunge. Wer hätte gedacht, dass sie Giselle eines Tages dafür danken würde, dass sie sie entführt und gefoltert hatte? Doch die Hexe hatte eine Shadowblade aus ihr gemacht, sie nach Horngate geholt und ihrem Leben einen Sinn gegeben. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihr gute Freunde verschafft hatte. Im Moment kam es ihr vor, als ob das all die erlittenen Schmerzen wert gewesen war. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie das der Hexenschlampe jemals erzählen wollte.
Und dann war da Alexander.
Was für eine Nachricht hätte sie ihm wohl hinterlassen? Ich wünschte, ich hätte dich wie einen Lolli lutschten können?
Nur, dass ihre Gefühle tiefer gingen als pure Lust, so sehr es ihr auch zuwider war, das zuzugeben. Er wusste, wie es war, Prime zu sein – er kannte die Last der Verantwortung, die man trug, wenn man das Leben seiner Leute in den Händen hielt. Es war eine Bürde, die niemand sonst in Horngate so gut nachvollziehen konnte wie er, mit Ausnahme von Oz und vielleicht von Giselle, und mit beiden konnte Max nicht reden. Vor Giselle hätte sie sich niemals eine derartige Blöße gegeben. Und Oz war zwar einer ihrer besten Freunde, aber sie flirteten schon so lange miteinander, dass sie es nicht wagte, irgendetwas zu tun, was ihre Beziehung aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Sie wollte ihn nicht auf diese Weise – nicht so, wie sie Alexander wollte. Und nach ihm sehnte sie sich so sehr wie ein Verhungernder nach Nahrung. Sie verdrehte die Augen. Mann, sie musste sich echt mal flachlegen lassen.
Ernüchtert begutachtete sie einmal mehr die Tür. Sie hätte ihm eine Nachricht hinterlassen sollen. Es war nicht nur so, dass sie ihn wollte. Seit Giselle sie verwandelt hatte, hatte Max sich niemandem gegenüber so geöffnet wie Alexander. Und sie vertraute ihm, wenn es um Horngate ging. Er würde den Sitz des
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