Shadowblade 02 - Schwarzes Feuer
lief über eine drei Zentimeter breite Rinne an der Oberkante ab. Shampoo und Seife lagen in einem Teakholzkorb am Rand, eine Duschkabine aus Glas war hinter der Wanne aufgebaut worden. Gegenüber befanden sich ein Handtuchschrank und ein Granitwaschbecken mit einem großen Spiegel darüber.
Dampf stieg zur Decke auf und verschwand in dem Auffangzauber, mit dem man sie belegt hatte. Max stieg in die Wanne, griff nach Seife und Schwamm und begann, sich den Brandgeruch und den Schweiß von ihrer Begegnung mit Scooter abzuwaschen. Sie rubbelte sich über den Arm, dort, wo sie den kalten magischen Handschuh spürte. Ein Peilsender. Man hatte ihr einen Peilsender eingebaut, wie bei einem verdammten Auto. Jetzt wusste er, wo er sie finden konnte – egal, wie weit weg sie war. Sie ballte die Faust. Ihr Griff war noch immer fest. Ein Kribbeln lief ihr wie eine elektrische Entladung vom Ellbogen zum Handgelenk. Sie verzog das Gesicht. Das war ein kleiner Preis für die Freiheit, ihre Familie in Sicherheit zu bringen. Max schnaubte. Aber sie war nicht frei. Scooter hatte sie an die Leine gelegt. Wenn sie nicht bald heimkam, würde er sie eigenhändig holen.
Ihre Gedanken eilten zurück zu den Bildern aus der Vision, die Scooter ihr gezeigt hatte. Lebte ihre Familie noch? Oder hatten diese Geschöpfe sie umgebracht und aufgefressen?
Angst drehte ihr den Magen um. Das Gefühl ging tief, durchbohrte jede Verteidigungsmauer und berührte sie dort, wo sie schutzlos war. Sie zog die Knie an die Brust und drückte den Kopf dagegen, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Max konnte alles durchhalten, solange sie nur wusste, dass ihre Familie in Sicherheit war. Aber jetzt fühlte sie sich hilflos, und sie ertrug die Angst vor dem, was ihren Angehörigen widerfahren mochte – was ihnen vielleicht schon widerfahren war –, einfach nicht. Was, wenn sie sie in diesem Moment verlor? Max hätte stark genug sein sollen, um sie zu beschützen.
Sie dachte an ihre Schwester Tris mit ihren beiden kleinen Töchtern, an ihren Bruder Kyle mit seinen Stiefsöhnen und an ihre Eltern. Wenn die Geschöpfe das Haus überrannt hatten, dann waren sie wahrscheinlich wie Korn unter dem Mähdrescher gefallen.
Max bibberte. Sie waren tot. Es gab keinen Zweifel. Aber dann dachte sie an Jim. War der Hexer bis zum Haus vorgedrungen? Wenn jemand dazu in der Lage war, dann er. Er hatte gegen die Blauen Unholde gekämpft – die Rauchgeschöpfe konnten auch nicht schlimmer sein.
Wenn er es tatsächlich geschafft hatte, gab es Hoffnung. Was bedeutete, dass sie aufhören musste, sich in ihrem Elend zu suhlen. Sie musste sich am Riemen reißen, bevor man ihre ganze Familie abschlachtete.
Angetrieben von diesem Gedanken stieg sie aus der Wanne und duschte sich ab. Anschließend zog sie sich an, kämmte sich und packte Klamotten und ihre Notfallausrüstung zusammen. Sie steckte noch eine Tüte M&M’s und ein paar Flaschen Gatorade dazu.
Max richtete sich auf und nahm eine Sonnenbrille aus der obersten Schublade ihrer Kommode. Nachdem sie ihr Handy eingesteckt hatte, hängte sie sich die Brille an den Kragen ihres Shirts und warf einen Blick in den Spiegel. Dank Scooters Heilzaubern sah sie nicht mehr blass und abgemagert aus. Das war immerhin etwas. Schließlich war sie seit Ewigkeiten wach und hatte ihr Tagessoll an Nahtoderfahrungen bereits mehr als erfüllt. Sie konnte es kaum erwarten, herauszufinden, was als Nächstes passieren würde.
Lange musste sie nicht warten. Als sie in die Haupteingangshalle von Horngate kam, erwartete sie dort Oz. Stinksauer war gar kein Wort für den Zustand, in dem er sich befand.
»Du wolltest los, ohne mir ein Wort zu sagen?«, fragte er und stellte sich mit vor der Brust verschränkten Armen in die Tür.
Er war groß, mit breiten, muskulösen Schultern und dunkelblondem, sonnengebleichtem Haar. Mit seinem kantigen Kinn und den Grübchen sah er aus wie ein typisch amerikanischer Collegestudent. Mit einem Wort: Er war atemberaubend, aber nicht Max’ Typ. Sie mochte drahtige, dunkle Männer wie Alexander …
Rasch riss sie sich von dem Gedanken an ihn los und bedachte Oz mit einem finsteren Blick.
»Ich hab’s eilig«, erwiderte sie. »Meine Familie steckt in Schwierigkeiten. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Oder gibt es etwas Bestimmtes, worüber du reden möchtest?«
Er presste die Lippen so fest zusammen, dass sie weiß wurden. Dann verdrehte er die Augen, als würde er den Himmel um Geduld anflehen, und holte
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