Shadowblade 02 - Schwarzes Feuer
ganze Zeit über tat. Er dachte an Giselles Vision von Max’ Tod. Sollte er ihr auch davon berichten? Ihm zog sich der Magen zusammen. Was sollte er sagen? Dass sie von einer lebenden Leere getötet werden würde? Was zum Teufel hieß das überhaupt?
Er seufzte schwer. Vom Regen in die Traufe. Tief in seinem Innern regte sich das Raubtier, als es spürte, dass er einen Kampf mit sich ausfocht. Alexander unterdrückte es. Jetzt war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt.
Er schaute auf die Uhr. Es war kurz vor fünf. Ihnen blieb weniger als eine Stunde bis Sonnenaufgang. Bis dahin mussten sie ein Hotel gefunden und ihr Zimmer lichtdicht gemacht haben, und er musste Kontakt zu Valery aufnehmen. Max folgte seinem Blick.
»Ziemlich knapp.«
»Machste nicht immer alles auf ’n letzten Drücker?«, antwortete er und achtete dabei betont auf einen lockeren, umgangssprachlichen Tonfall.
Sie grinste. »Du siehst aus, als würde es dir ernsthafte Schmerzen bereiten, ein Wort abzukürzen, Schleimer. Aber um deine Frage zu beantworten: Meistens versuche ich, etwas Sicherheitsabstand zu lassen, aber die Umstände verschwören sich gegen mich.«
»Natürlich hat dein Verhalten nicht das Geringste mit diesen Umständen zu tun.«
»Mein Verhalten? Niemals. Das ist reines Pech.«
Sie kamen gerade am Benson-State-Erholungsgebiet vorbei, als sein Geheimtelefon vibrierte. Das Handy, das ihm Giselle gegeben hatte, hatte er kaputt gemacht. Als er auf die Bremse trat, machte der Truck einen Satz nach vorne. Max warf ihm einen verärgerten Blick zu. Er entspannte sich und traf eine Entscheidung. Dann zog er das Telefon aus der Tasche und sah nach, wer ihn anrief. Es war Valery.
»Hallo«, sagte er und hielt sich das Handy ans Ohr, im vollen Bewusstsein, dass Max jedes Wort der Caramaras-Hexe hören würde. Ihr Shadowblade-Gehör war gut, und ihre Aufmerksamkeit war erregt.
»Wo bist du?« Valerys sonst so volle Stimme klang gepresst vor Anspannung.
»Etwa fünfzehn Kilometer vor Troutdale.«
»Gut. Wir treffen uns am Holiday Inn Express. Dort kannst du für den Tag unterschlüpfen.«
»Alles klar bei dir?«
»Holt ist mir dicht auf den Fersen. Du solltest dich besser beeilen.« Sie nahm einen Schluck von irgendeinem Getränk. Ihr Tonfall verriet entweder Angst oder Erwartung. Sie und Holt hatten eine seltsame Beziehung zueinander. »Vielleicht sollte ich das Amulett lieber im Hotel lassen, damit du es dort abholen kannst. Ärger mit Holt kannst du echt nicht gebrauchen.«
»Ich habe keine Angst vor ihm«, erwiderte Alexander. »Warte dort auf mich.«
»Er ist ein Magus, Alexander. Alle haben Angst vor ihm.« Sie hielt inne. »Wir treffen uns im Hotel, falls ich es schaffe.«
Die Verbindung wurde getrennt. Er steckte das Telefon zurück in die Tasche und trat aufs Gas, bis sie nur so durch die steilwandige Schlucht sausten. Dann warf er Max einen Blick zu. Sie hatte sich an die Beifahrertür gelehnt und ihm das Gesicht zugewandt. Ihr Gesicht war so ausdruckslos wie eine leere Wand, und mit den Fingern trommelte sie auf ihren Oberschenkel.
»Eine Freundin von dir?«
»Etwas mehr als nur eine Freundin.«
»Erzähl«, forderte sie ihn knochentrocken auf.
War sie eifersüchtig? Er wusste es nicht. Wahrscheinlich raste sie eher vor Wut. Aber sie zog keine übereilten Schlüsse – sie gab ihm die Gelegenheit, sich zu erklären.
»Weißt du, wer die Caramaras sind?«, fragte er.
»Nein.«
»Zigeuner. Ihre Abstammungslinie lässt sich bis nach Ägypten zurückverfolgen. Heute ziehen die meisten von ihnen umher.«
»Als Diebe? Trickbetrüger?«
»Ja.«
Sie hob die Brauen. »Und diese Frau ist eine von ihnen?«
»Valery. Sie ist eine Hexe aus dem Volk der Caramaras. Ich habe ihr einmal zur Flucht von einem Hexentreffen verholfen, bei dem sie sich eingeschlichen hatte. Seitdem sind wir Freunde.«
»Stille Wasser sind tief, Schleimer. Warum hast du einer fremden Hexe geholfen?«
»Ich gehöre auch zu den Caramaras. Vom selben Blut zu sein verbindet. Es ist wie in einer Familie.«
»Das fand Selange sicher großartig.«
Er lächelte. »Es gab keinen Grund, aus dem Selange von Valery hätte erfahren müssen.«
»Ich bin schockiert. Du hattest Geheimnisse vor deiner Hexe? Und ich habe dich immer für einen Ausbund an Tugendhaftigkeit gehalten«, meinte Max. »Also, was ist das für ein Amulett, das sie für dich hat? Und wer ist Holt?«
Nach kurzem Zögern kam Alexander zu dem Schluss, dass er mit Ehrlichkeit am besten
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