Shadowblade 02 - Schwarzes Feuer
klang. »Du wirst erhalten, was dein Herz begehrt. Du wirst Primus sein.«
Alexander konnte sie bloß anstarren. Ihre Worte trafen ihn wie Pistolenkugeln. »Was meinst du damit?«, wollte er wissen. Das Amulett? Wie konnte sie überhaupt davon wissen? Außerdem – was sein Herz begehrte? Was sollte das sein? Primus zu werden? Hier? Wenn er Primus werden sollte, musste er dafür gegen Max kämpfen, wahrscheinlich auf Leben und Tod. Oder jemand anders würde sie töten – Horngate hatte viele Feinde.
Er packte Magpie an den Schultern. »Was zum Teufel meinst du damit? Wie soll ich Primus werden?«
Wie konnte er es verhindern? Er schüttelte sie durch, so dass ihr Kopf hin- und herschlackerte. Dann wurde sie schlaff wie ein leerer Sack. Er hielt sie fest und spürte, wie sie langsam wieder zu sich kam. Als sie nun zu ihm aufschaute, hatten ihre Augen ihre normale, fast schwarze Farbe zurückgewonnen.
»Was hast du damit gemeint?«, wiederholte er mit rauher Stimme. Max, tot. Er würde sie auf keinen Fall töten. Und er würde auch nicht zulassen, dass ein anderer es tat.
»Lass mich los«, befahl Magpie ihm.
Als er nicht gleich gehorchte, drückte sie ihre Fingerspitzen auf seine nackte Brust und sandte eine stechende magische Entladung durch sein Fleisch. Er ließ die Hände sinken, als ihn die Schläge wie scharfkantiges Licht durchzuckten. Trotzdem wich er nicht zurück.
»Sag mir, was du damit gemeint hast«, sagte er mit angespannter Miene.
Sie starrte ihn finster an, doch dann wurden ihre Züge sanfter. »Ich weiß nicht, was ich gesagt habe. Nein.« Sie hob die Hand. »Verrat’s mir nicht. Wenn ich es hätte wissen sollen, dann würde ich mich daran erinnern. Ich kann dir nur eines sagen – was immer ich prophezeit habe, merk es dir. Meine Weissagungen gehen immer in Erfüllung.«
Damit ging sie zur Tür. Mit der Hand auf der Klinke drehte sie sich zu ihm um. »Lass mich raus.«
Er schaute sie missmutig an. »Vor einer Minute hast du die Tür ohne Probleme aufgekriegt.«
»Und jetzt möchte ich, dass du sie für mich öffnest. Sonst kannst du dir deine Verpflegung in nächster Zeit woanders suchen.«
Er verzog das Gesicht, trat an die Tür und wischte die Schutzzeichen weg. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, rauschte sie hinaus. Er schloss die Tür, lehnte sich dagegen und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
Das Amulett kommt zu dir. Du wirst erhalten, was dein Herz begehrt. Du wirst Primus sein.
Sie konnte nur das Amulett von Amengohr gemeint haben.
Er schloss die Augen und atmete aus, bis seine Lungen leer waren. Jahrelang hatte er es bloß für einen Mythos aus dem Volk seiner Mutter gehalten. Sie stammte von Caramara-Zigeunern ab, deren Geschichte und Magie aufs alte Ägypten zurückgingen. Alexanders Mutter hatte ihm in Gutenachtgeschichten vom Amengohr-Amulett erzählt, das seinem Träger bei Nacht Unsichtbarkeit verlieh und es ihm tagsüber gestattete, sich unbeschadet dem Sonnenlicht auszusetzen. Als kleiner Junge hatte er nie verstanden, wozu die letztere Fähigkeit gut sein sollte. Erst nachdem man ihn zum Shadowblade gemacht hatte, war ihm klar geworden, wozu sie diente: Das Amulett von Amengohr ermöglichte es den Shadowblades, sich tagsüber sicher zu bewegen und sich in der Dunkelheit unsichtbar zu machen.
Kaum hatte er sich an die Geschichte des Amuletts erinnert, war er fasziniert davon. Er bereute es nicht, ein Shadowblade geworden zu sein, aber wieder ins Sonnenlicht treten zu können … Das Verlangen danach weckte eine unvorstellbare Sehnsucht in ihm.
Er schnappte nach Luft. Wenn er es hätte, dann würde Max ihn niemals im Kampf schlagen können. Das wäre geschummelt. Nein. Er würde sie nicht zum Zweikampf herausfordern. Das hatte er vor vier Wochen beschlossen. Sie war die bestmögliche Prime für Horngate – sie war das Herz ihrer Shadowblades, und selbst die Sunspears folgten ihr blind. Sie vertrauten darauf, dass Max auf sie aufpassen und ihr Leben für sie aufs Spiel setzen würde, und im Gegenzug taten sie das Gleiche für Max. Nie zuvor hatte er eine Prime gesehen, die so viel Loyalität genoss. Er konnte unmöglich darauf hoffen, sie zu ersetzen.
Wenn Magpies Prophezeiung also wirklich in Erfüllung gehen sollte, dann würde Max etwas anderes widerfahren. Und es musste eine Möglichkeit geben, das zu verhindern. Selbst, wenn Alexander dafür Max’ Stellvertreter Niko von der Prophezeiung erzählen musste. Er verzog das Gesicht. Das würde sicher
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