Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)

aufhalten?«, bettelte Max. Ihr Leib begann unter dem Ansturm ihrer Bannzauber zu zittern.
    »Die Hüter sind sich nicht darüber einig, wie sie die Menschen loswerden wollen oder wer in der neuen Welt die Herrschaft übernehmen soll. Du und Giselle und Horngate – irgendwie befindet ihr euch mitten auf einem Knotenpunkt, auf einer fruchtbaren Kreuzung der Möglichkeiten. Wer immer euch kontrolliert, kann auch das Ergebnis dieser Fragen kontrollieren. Von euch hängt so viel ab, dass niemand auch nur die nächsten paar Stunden vorhersagen kann. Aber während die anderen sich darum streiten, wer von ihnen dich kriegt, beanspruche ich dich für Sekti. Die Engel werden sich gegenseitig vernichten, und dann kriege ich auch noch Giselle und Horngate.« Er richtete sich auf, reckte das Kinn und schaute Max von oben herab an. Sein Gesicht war zu einer Fratze von Gier und Stolz verzerrt. »Sekti hat mir mehr Macht verliehen, als du es dir auch nur im Entferntesten vorstellen kannst. Ich kann dich mit der Kraft eines einzigen Gedankens zerquetschen. Jetzt will ich sehen, wie du auf die Knie sinkst, du Miststück. Ich bin jetzt dein Meister, und ich will dich kriechen sehen.«
    Er trat einen Schritt vor und hob die Hände. Grünes Hexenfeuer umpeitschte seine Arme, die Flammen züngelten wie Schlangen. Aber bevor er seine Absichten in die Tat umsetzen konnte, glitt ein blonder Shadowblade aus dem stillen Rauch hinter ihm und rammte seine Faust gegen Altons Kopf. Der Hexer fiel mit einem feuchten, gurgelnden Laut auf den Asphalt.
    Im selben Moment rannte Max auf der anderen Straßenseite in Deckung und riss dabei ihre Waffe heraus. Alexander war dicht hinter ihr. Sie kam keine drei Schritte weit, bevor mehr von Selanges Shadowblades hervorkamen. Insgesamt waren es elf. Sie hatten die Waffen erhoben und zielten direkt auf Max und Alexander. Sie waren umstellt. Max blieb stehen und schaute sich nach der Hexe um. Wie hatte sie Horngate gefunden? Sie musste geflogen sein oder Sunspear- und Shadowblade-Fahrer eingesetzt haben, um vor ihnen hier zu sein.
    »Schau mal, Alexander«, sagte sie abfällig, »mehr Gesellschaft. Wissen die nicht, dass wir Besseres zu tun haben, als eine Show für ein paar Lahmärsche hinzulegen?«
    »Mutige Worte«, schaltete Selange sich ein und trat in einiger Entfernung von ihren Shadowblades aus der schattigen Spalte zwischen ein paar Felsbrocken. Sie trug Kakihosen und eine ärmellose Leinenbluse. Ihr scharlachroter Mund sah aus wie ein wütender Schnitt durch ihr Gesicht, und ihr Körper war starr vor Zorn. Oder Angst. Da war Max sich nicht sicher. Zweifellos hatte die Hexe alles gehört, was Alton gesagt hatte.
    »Was willst du?«
    »Ich will dein Hagelkorn. Und nach allem, was mir zu Ohren gekommen ist, habe ich den Eindruck, dass du ebenfalls von Wert für mich sein könntest.«
    Max spürte, wie Alexander sich anspannte. Er stand mit dem Rücken zu ihr und hielt die Pistole auf die Shadowblades hinter ihr gerichtet.
    »Was würdest du mit dem Hagelkorn anfangen? Die Wintergreisin hat es mir gegeben, schon vergessen? Oder hast du beschlossen, das Risiko einzugehen und es selbst zu benutzen? Es wäre vielleicht lustig, dabei zuzusehen.«
    Eine Spur von Verzweiflung huschte über Selanges Miene, die jedoch schnell rasender Wut Platz machte. »Das geht dich nichts an. Ich werde dir die eine oder andere Lektion darüber erteilen, wo dein Platz ist, bevor ich dich Hekau übergebe.«
    »Mich haben schon bessere Hexen als du zu bekehren versucht. Ich lerne langsam.« Max spielte auf Zeit. Doch eigentlich gab es in dieser Lage keinen Ausweg, der nicht einen üblen Ausgang versprach. Magpies Warnung ertönte erneut in ihrem Kopf: Da ist es nicht sicher, für niemanden. Erst wenn du zurückkehrst. Nur du kannst dort für Sicherheit sorgen. Horngate brauchte sie jetzt. Also musste sie das Ruder herumreißen.
    »Hör mal. Du bist nicht dumm. Du hast gehört, was passiert. Wenn du dich bei den Hütern einschleimen wolltest, wärst du nicht hier, um nach dem Hagelkorn zu suchen. Du willst aus der Sache raus. Was bedeutet, dass du mit mir zusammenarbeiten musst.«
    Selange lachte. »Du bist ein Nichts. Was kannst du schon tun?«
    »Tja, zum einen habe ich das Hagelkorn. Und außerdem gibt es eine Reihe Seherinnen, die der Meinung sind, dass ich ein Ass im Ärmel habe.« Max wusste nicht, ob Magpie wirklich als Seherin durchging, aber das Wort klang gut. Und Giselle hatte etwas von der Macht ihrer Mutter geerbt.