Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
gleich ganz anders aussehen, wenn man eine zerschmetterte Hand hat«, spöttelte er.
»Dich könnte ich trotzdem jederzeit schlagen, obwohl du da eine verflucht harte Nuss als Kopf hast.«
»Stimmt. Also, ich will dich ja nicht beleidigen, aber du könntest wirklich eine Dusche brauchen. Das findet sogar Akemi.«
Er schaute zu der Chinesin hinüber, die mit verschränkten Armen dastand. Verärgert blickte sie ihn an. »Wenn du deine Klamotten in der Feuertonne wiederfindest, kannst du dir sicher denken, wie sie da hingekommen sind«, sagte sie.
Niko erbleichte. »Das ist echt gemein.« Plötzlich grinste er. »Sieh dir das an, Max. Als wenn man ein Baby dabei beobachtet, wie es die ersten Schritte wagt, nicht wahr?«
»Puk gai«, gab Akemi zurück, und ihre runden Wangen röteten sich.
»Moment mal!« Niko sah zu Max. »Hast du das gehört? Ich glaube, sie hat mich gerade beschimpft. Mann. Das sind gleich zwei Schritte. Ich bin so stolz.«
»Niko, halt die Klappe, bevor sie dir die Zunge rausschneidet«, sagte Max belustigt. Sie spürte, wie die heiße Wut in ihr allmählich die Schärfe verlor. »Ich gehe duschen. Spielt schön und seid nett zueinander.« Damit stapfte sie in Richtung ihres Zimmers davon.
Kapitel 4
M ax betrat ihre beengte, verdunkelte Kammer im Bus. Sie trug nur Unterwäsche und ein T-Shirt, das nasse Haar klebte ihr am Kopf. Ihre Kabine war eigentlich nicht mehr als ein kleines, mit Kunstholz ausgekleidetes Abteil mit einer schmalen Pritsche zum Ausklappen an der Wand zur Außenseite. Unter dem Bett war eine Auswahl an Waffen und Munition festgeschnallt. Ein kleiner Nachttisch stand daneben, und darüber befand sich ein kaum dreißig Zentimeter breites Schränkchen. An der Wand gegenüber vom Klappbett hing außer einem Spiegel überhaupt nichts.
Auf ihrem Nachttisch lag ein Zettel. Sie nahm ihn in die Hand. Es war eine Quittung vom Taco-Bell-Imbiss. Auf die Rückseite war ein Satz gekritzelt: Pass auf dich und Giselle auf. Oz hatte nicht unterschrieben. Aha. Also hatte Giselle ihn überzeugt zu gehen. Er war schnell eingeknickt. Max fragte sich, was Giselle ihm erzählt hatte. Zu Max’ großer Erleichterung stand nichts von ihrem Kuss auf dem Zettel. Hoffentlich hatte er das nicht zu ernst genommen.
Sie knüllte die Nachricht zusammen und warf sie an die Wand, während sie böse zu ihrem Bett und den darauf ausgebreiteten Kleidern starrte. Es sah aus, als würde dort ein Mensch liegen, aus dem man die Luft herausgelassen hatte. Die hautenge waldgrüne Kombination bestand aus Lederhosen und einer Weste ohne Hemd. Mit einer Armbewegung fegte sie alles auf den Boden, legte sich aufs Bett und stellte den Wecker auf acht Uhr. Sie schlief allerdings nicht sofort ein.
Während sie an die Decke blickte, kreisten ihre Gedanken um das, was Giselle ihr erzählt hatte. Die Hüter gab es wirklich. Scheiße. Und Giselle hatte Angst vor ihnen. Bei der Vorstellung hätte Max sich am liebsten zusammengerollt und unter einem Berg versteckt. Giselle war sonst so hart und kalt, als würde sie aus Stein und Eis bestehen. Stirnrunzelnd seufzte Max. Sie wusste nicht viel über die Hüter. In den Legenden hieß es, dass sie den Großteil der Unheimlichen und Göttlichen Völker erschaffen und die Erde dann verlassen hatten, um andere Dimensionen zu bereisen. Was gut war, denn das wenige, was Max über die Hüter wusste, war nicht schön. Sie waren grausam, kleinlich und schrecklich mächtig. Manche Leute behaupteten, sie hätten den Vesuv ausbrechen lassen, um einem einzigen Kaufmann eine Lektion wegen seines Hochmuts zu erteilen. Außerdem schrieb man ihnen den Untergang von Atlantis zu, die Erschaffung der Sahara, die Pest und eine Milliarde anderer großer und kleiner Ereignisse. Selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Geschichten stimmte, steckte die Menschheit verdammt tief in der Scheiße.
Schließlich schlief sie ein und träumte. Als der Wecker klingelte, konnte sie sich an keinen ihrer Träume erinnern. Sie hatten jedoch einen üblen Geschmack in ihrem Mund hinterlassen und ein unbehagliches Kribbeln auf ihrer Haut.
Max schwang die Beine von der Pritsche und verzog das Gesicht, als sie nach ihrer Nachtuniform griff. Sie zog die Hosen hoch und mühte sich dann mit der Weste ab. Es war, als müsste sie eine Zwangsjacke anziehen. Endlich kriegte sie es richtig hin und fummelte dann an den Schnüren herum, bis sie fest genug saßen, damit die Weste nicht herunterfallen würde, und locker genug, damit
Weitere Kostenlose Bücher