Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
ihn und verebbte sogleich, als ein eisiger Schauder ihn wie ein Speer durchbohrte. Mit der Hand wischte er sich über den Mund. Er fühlte sich von ihr angezogen. Das konnte er nicht abstreiten. Sie war schön, schlau, begabt und stark – diese Frau besaß all die Eigenschaften, die sein Verlangen weckten. Er wollte sie, und es war lange her, seit er zuletzt jemanden gewollt hatte. Doch die Anziehung ging tiefer: Sie wirkte wie eine Strömung, die ihn mit sich unter Wasser zog. Es war, als hätte er sie wiedererkannt – oder etwas an ihr. Was auch immer es war, es sprach tief in seinem Innern zu ihm und fühlte sich fast an wie ein Tritt. Die Vorstellung, dass Selange sie zu Tode foltern würde, ging ihm durch Mark und Bein, doch er konnte nichts dagegen unternehmen.
Als Max und ihre Hexe also den Amethystweg betraten und der Nebel sich als weiße Wand hinter ihnen erhob, hatte er gemischte Gefühle. Er beobachtete, wie Max selbstsicher voranschritt und dabei den Kopf wachsam von einer Seite zur anderen schwenkte. Einen Moment lang schaute er zu, dann informierte er Selange über ihr Eintreffen.
Er fand sie im Kirchenschiff. Gerade sprach sie mit zwei Hexen aus Arizona, die beide rabenschwarzes Haar hatten, das im Kerzenlicht bläulich schimmerte. Selange trommelte mit den rot lackierten Nägeln auf ihren Oberschenkel und schaute sich ungeduldig um. Alexander schob sich durch die Menge und blieb neben Selange stehen.
»Sie sind da.«
Ihre scharlachroten Lippen wurden schmal und verzogen sich zu einem Lächeln. »Endlich. Geh zu den anderen und warte. Der Wettbewerb kann erst stattfinden, wenn alles andere beim Konklave geklärt ist.«
Damit war er entlassen. Alexander trat durch eine kleine Tür an der Ostseite der Sagrado – das war das spanische Wort für »heilig«, das man dem Ort der Konklave bei seiner Gründung als Namen gegeben hatte. Die meisten erinnerten sich nicht mehr daran, oder es war ihnen egal. Doch Alexander mochte es, über die Geschichte und Hintergründe Bescheid zu wissen.
Draußen gab es ein Nebengebäude, das so sehr von Jasminsträuchern überwuchert war, dass von den Dachziegeln aus Terrakotta nur wenige rote Fleckchen zu sehen waren. Auf dem grasbewachsenen Hof zwischen den Gebäuden erhob sich aus einem kreisförmigen Mosaik ein Springbrunnen aus Rauchquarz, der die Form eines Zepters hatte. Das Quarzgestein leuchtete von innen, während oben das Wasser heraussprudelte und an den Seiten herabfloss.
Alexander schaute zum Mond hinauf und schob sich die Brille höher auf die Nase. Das reflektierte Sonnenlicht erhitzte seine Haut, und sie würde bald beginnen, Bläschen zu bilden. Er musterte das mit Jasmin bedeckte Häuschen. Darin hielten sich die Shadowblades auf. Manche unterhielten sich und lachten, andere spielten Karten oder würfelten, und nicht wenige von ihnen waren streitlustig. Ohne zu zögern, ging Alexander am Springbrunnen vorbei und trat in den Schatten eines der Basaltmonolithen, die den Brunnen wie Wachtposten umgaben. Auf diese Weise konnte er sich zwar nicht vor den Blicken der Shadowblades verbergen, aber immerhin konnte er so dem Mondlicht entgehen. Er berührte seine geröteten Wangen und spürte, wie die Heilzauber seine Haut glätteten. Er verschränkte die Arme, beobachtete die Sagrado … und wartete auf Max.
Fast zwanzig Minuten waren vergangen, als sich die Tür endlich öffnete. Sie schloss sie hinter sich, verließ jedoch nicht den Schutz der kleinen Wandnische. Stattdessen blieb sie einen Moment lang stehen, ging dann langsam und mit wachsamer Miene in die Hocke und stützte die Ellbogen auf die in Leder gehüllten Knie.
Mücken summten, und Nachtvögel zwitscherten. Er hörte das Knacken einer aufplatzenden Samenkapsel und das Rascheln eines Froschs, der sich im Rosmarin bewegte. Als schließlich klar war, dass sie dort so zusammengekauert das Ende des Konklaves abwarten würde, stieß Alexander sich vom Wächterstein ab.
Sobald er sich regte, richtete sie ihre volle Aufmerksamkeit auf ihn. Ihre Miene war unbewegt, und Alexander zweifelte nicht daran, dass sie ihn bereits an seinem Platz entdeckt hatte, als sie durch die Tür gekommen war.
Am Fuß des Treppchens hielt er inne, so dass sie beinahe auf gleicher Augenhöhe waren. Sie sagte nichts. Einmal mehr beunruhigte es ihn, wie sie ihn mit ihren dunklen Augen betrachtete. Allmählich machte sie ihn wütend. Zuletzt konnte er nicht anders, als die Stille zu brechen.
»Du weißt, dass Selange
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