Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
Schlund aus unaussprechlichem Kummer drohte ihn zu verschlucken. Er wollte loslassen und darin verschwinden. Nur die wahnsinnigen Schmerzen verbanden ihn noch mit der Wirklichkeit.
Hände griffen ihn unter den Achseln und hoben ihn hoch.
»Komm schon. Wir müssen hier raus, solange wir noch können.«
Max’ Stimme war heiser. Sie zog ihn auf die Beine, legte sich seinen Arm um die Schultern und umfasste seine Hüften. Sein Kopf fiel ihm auf die Brust. Er spürte, wie das Blut noch immer aus der offenen Wunde an seiner Seite rann. Seine Heilzauber wirkten nur langsam – besonders nachdem Selange ihre magische Bindung entfernt hatte.
Alexander hörte sich selbst leise stöhnen. Er presste die Lippen fest zusammen und versuchte, sich von Max loszumachen. Ihr Griff lockerte sich nicht. Taumelnd und leise fluchend ließ er sich von ihr mitziehen. Ihr Atem klang angestrengt, und er roch den Gestank von verbranntem Haar und Fleisch. Er wollte den Kopf heben, doch es war zu schwer. Ein dunkler Nebel erfüllte seinen Kopf, und die Erinnerung an die Ratten in seinem Innern brachte ihn dazu, sich erneut zu übergeben.
»Ruhig«, sagte eine andere, angespannt klingende Stimme. Er brauchte einen Moment, um zu kapieren, um wen es sich handelte. Giselle. Max’ Hexe – und nun auch seine Hexe, obwohl dem nicht lange so sein würde. Shadowblades wechselten nicht den Zirkel, denn man konnte ihnen nicht trauen. Giselle würde alles, was er über Selange erzählen konnte, aus ihm herausholen und ihn anschließend töten.
Wieder öffnete sich diese große schwarze Leere in ihm, und er spürte, wie er langsam hineinglitt. Nein. Er würde sich nicht einfach davonstehlen. Er hatte versagt. Dafür musste er einen Preis bezahlen. Er gab einen wütenden Laut von sich und arbeitete sich angestrengt vom Rand des Abgrunds zurück.
Bis auf seinen inneren Kampf achtete er auf nichts und kam erst wieder draußen auf dem Amethystweg zu sich. Er lehnte schlaff auf Max, die beide Arme um ihn geschlungen hatte. Seine Wange war an ihr Brustbein gedrückt. Er konnte das laute Schnaufen in ihrem Brustkorb hören.
»Verschwinde von hier. Geh zu Akemi«, befahl Max mit schwacher, erschöpfter Stimme. Sie schien es zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorzupressen.
»Den Teufel werde ich tun«, lautete Giselles wütende Antwort.
»Wenn nicht, werden wir wegen dir alle sterben.« Max stieß die Worte hervor. »Meine Bannzauber zehren mich bei lebendigem Leib auf, und ich bin sowieso schon halb tot. Sobald sie den Schleier erreicht und sie hereinlassen kann, wird Selange ihre Shadowblades nach ihm schicken. Sie kann es sich nicht leisten, ihn dir zu überlassen. Wenn du in Sicherheit bist, kriege ich ihn vielleicht lebend hier raus. Aber je länger du hier die ideale Zielscheibe abgibst für jede Hexe, die dir eins auswischen will, desto schlimmer werden meine Bannzauber. In einer Minute falle ich in Ohnmacht.«
»Dann lass ihn zurück. Ich will dich nicht riskieren, nur um ihn am Leben zu halten.«
Beinahe brach Alexander zusammen, als er ihr unverrückbares »Nein« hörte. Er glaubte, dass er halluzinierte.
»Ich befehle es.«
»Fick dich. Er gehört jetzt dir. Ich habe teuer für ihn bezahlt, und ich werde meinen Schmerz nicht verschwenden.« Sie hielt inne und knirschte mit den Zähnen. Ihr Körper bebte krampfartig. »Ich bin seine Prime, und ich lasse keinen meiner Leute zurück«, ächzte sie.
Die anschließende Stille war spürbar aufgeladen mit knisterndem Zorn. Völlig verblüfft hörte Alexander schließlich Giselles leise Antwort: »Na schön. Ich gehe. Aber wenn du dich umbringen lässt …«
»Dann bist du gearscht, und ich hab gewonnen.« Max’ Stimme klang dünn. Sie grub die Finger fest in Alexanders Haut, als ihr Körper erbebte. »Geh lieber, sonst schaffe ich es nicht mehr hier raus.«
Er hörte das Klatschen von Füßen, als Giselle loslief. Max’ Brust hob und senkte sich, als sie tief Luft holte. Sie hörte auf zu zittern, und ihr Griff wurde fester.
»Komm.«
Alexanders Gedanken überschlugen sich. Seine Prime. Für ihn hatte sie sich ihrer Hexe widersetzt. Verschwendung von Haut und Knochen. Es ergab keinen Sinn. Aber es brachte ihn dazu, seine letzten Kraftreserven zu mobilisieren – er würde nicht zulassen, dass sie für ihn starb. Er drückte das Rückgrat durch und zwang seine Beine, sich zu bewegen. Noch immer stützte er sich auf sie, hing jedoch nicht mehr in ihren Armen wie ein Sack schmutziger
Weitere Kostenlose Bücher