Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
Wäsche.
Als sie die Veränderung spürte, trieb sie ihn zu einem taumelnden Laufschritt an. Am Rand des Wegs, der um die Kuppe herumführte, schlug sie sich ins Unterholz. Büsche kratzten über Alexanders nackte Brust und Arme, und der steinige Boden riss ihm die Füße auf. Zweige und Äste knickten ab und knackten dabei laut. Mögliche Verfolger konnten ihre Spur nicht verfehlen.
Max hielt ihn aufrecht, als sie das kurze Hangstück hinabstiegen, um auf der nächsttieferen Serpentine herauszukommen. Als sie wieder auf ebenem Boden angekommen waren, erhöhte sie die Geschwindigkeit und joggte langsam. Alexander bewegte zwar die Füße, doch er war noch immer unbeholfen und behinderte sie mehr, als ihr zu helfen. Sie beachtete ihn gar nicht – weder tadelte noch ermutigte sie ihn.
Sie hatten drei Viertel des Wegs zum Parkplatz zurückgelegt, als sie innehielt. »Hier setzen wir uns ab.«
Alexander keuchte und brachte kein Wort heraus. Körperlich musste er noch immer mit den Wunden fertig werden, und seelisch war er auch durch die Erinnerung an die Ratten nach wie vor zerrüttet.
Zwischen Bäumen und Gestrüpp hindurch zerrte sie ihn den Hang hinab. Der Untergrund war steil und uneben. Sie stolperte und griff nach einem Ast, um nicht zu stürzen. Ihr Atem klang laut und rauh. Sie legte keine Pause zum Ausruhen ein, und Alexander brachte seine letzten Kräfte auf, um mitzuhalten.
Sie kamen an eine steile Schlucht, die ihnen den Weg versperrte. Die Kiefern am Grund bildeten ein undurchdringliches Nadeldickicht, und eine Wand aus Gestrüpp verdeckte die Ränder der Spalte. Max blieb stehen und setzte ihn unsanft auf einem Felsbrocken ab.
»Warte hier.«
Er hob den Kopf und sah sie zum ersten Mal seit Beginn des Wettstreits richtig an. Einen Moment lang konnte er sie nur anstarren. Ihre Lederhosen waren bis auf halbe Oberschenkelhöhe verbrannt. Nur hier und da klebten noch ausgefranste Fetzen an ihrem schwarz versengten Fleisch. Ein dichtes Gewirr blutiger Striemen war durch die Schnürung ihrer Weste, auf ihren Armen und in ihrem Gesicht zu sehen. In ihren zerfetzten Fußrücken konnte er weiße Knochen erkennen.
Eine seltsame Erleichterung durchzuckte ihn wie ein Schnitt mit einer rostigen Rasierklinge. Insgeheim hatte er sich gefragt, ob Selange den Wettbewerb benutzt hatte, um ihn loszuwerden. Aber durch den Schaden an Max’ Körper wurde ihm klar, dass Selange sich nicht zurückgehalten hatte. Max hatte schlicht und einfach gewonnen.
»Ich komme wieder«, sagte sie. »Warte hier.«
»Wo …?« Hustend brach er ab.
»Ruh dich etwas aus.«
Mit Mühe erhob er sich. »Ich komme mit.«
Sie drückte ihn bestimmt wieder runter. »Ich habe eine Regel. Verhindere um jeden Preis, dass irgendein Trottel – nicht einmal du selbst – getötet wird. Und das heißt, dass du tust, was ich sage, wenn ich es sage. Bleib hier.«
Damit wandte sie sich ab und schlug sich ins Gebüsch. Einen Augenblick später erklang das Knirschen von Steinchen und ein gleitendes Geräusch, als sie über die Kante setzte und zwischen den Bäume hinabrutschte. Nach kurzer Stille hörte Alexander das Rascheln von Zweigen und Blättern. Erneut senkte sich die Stille herab, wurde nur unterbrochen vom Rauschen des Winds und den leisen Geräuschen, die die abreisenden Hexen verursachten.
Wie befohlen saß er auf dem Felsbrocken und wartete. Was blieb ihm übrig? Außerdem war sie seine Prime. Zumindest für den Moment. Er schaute an sich herab. Die Rattenwunden hatten sich geschlossen, doch in seinem Innern verspürte er einen wachsenden Druck. Er hatte innere Blutungen. Sein Bauch war geschwollen und fühlte sich heiß an. Außerdem kam es ihm vor, als quetschte ihm jemand die Organe zusammen. Er konnte nicht richtig durchatmen. Von seinem Unterleib aus strahlten schmerzhafte Krämpfe aus und bohrten sich wie mit brennenden Fingern in seine Brust.
Er hustete und spuckte Blut.
Was würde jetzt geschehen? Würde Giselle ihn in ihren Zirkel aufnehmen, oder würde sie ihm Selanges Geheimnisse entlocken und ihn zerfetzen? Er fragte sich, was Max davon halten würde. Sie hatte ihn als Verschwendung von Haut und Knochen bezeichnet, und dann hatte sie ihn für sich beansprucht, ihrer Hexe getrotzt und ihn unter Einsatz ihres Lebens beschützt. Würde Max all das tun, nur um dann zuzulassen, dass Giselle ihn tötete? So wenig er sie auch kannte, das konnte er sich nicht vorstellen. Obwohl sie die Hexe natürlich nicht aufhalten könnte.
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