Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
können wir es uns nicht leisten, uns zu entspannen.«
»Man muss kein Wahrsager sein, um das zu wissen«, brummte Tyler. »Jeder, dem das nicht klar ist, verdient es nicht besser, als sich die Radieschen von unten anzusehen.«
Max grinste schief, antwortete jedoch nicht. Stattdessen versuchte sie, nachzudenken und Pläne zu schmieden. Doch vor Erschöpfung zerfaserten ihre Gedanken, und bald sank sie in samtenen Schlaf.
Als sie erwachte, wurde es langsam dunkel. Obwohl die Türen des Anhängers verschlossen waren, spürte sie in den Knochen, wie die Nacht draußen zum Leben erwachte. Irgendwann im Laufe des Tages waren sie weitergefahren – sie hatte das Holpern und die Bewegung bemerkt.
Sie erhob sich und schwang die Beine von der Bahre. Akemi ging an der Wand auf und ab, während Niko und Tyler links und rechts von Max auf dem Boden schliefen. Kaum hatte sie sich gerührt, da sprangen die beiden schon auf. Alexander setzte sich langsam auf und fuhr sich mit den Fingern durchs kurze Haar, so dass es von seinem Kopf abstand.
Max streckte sich und fing sich. Mit einer Grimasse zog sie die Infusionsnadeln aus ihren Handrücken, warf sie beiseite und ließ sich von der Bahre gleiten. Ihre Haut fühlte sich zu eng und erhitzt an, und ihr Körper schmerzte, als hätte sie Fieber. Sie hielt sich am Tisch fest und wartete, bis sie das Gleichgewicht gefunden hatte und ihre Muskeln sich strafften. Sie fühlte sich mitgenommen, doch das Gefühl verpuffte schnell. Ganz allmählich durchströmte sie neue, wenn auch verwässerte Kraft. Sie richtete sich auf, schüttelte sich und ließ die Schultern kreisen, um sich locker zu machen.
»Ich brauch eine Dusche«, verkündete sie und ging zur Tür. Bevor sie sie öffnete, hielt sie inne und schaute zurück. Akemi war direkt hinter ihr. »Sucht ihm was zum Anziehen«, sagte sie mit einem Nicken in Alexanders Richtung zu Tyler und Niko. »Und dann stellt draußen eine Wache auf.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, trat Max durch die Schiebetür in den gegen Licht versiegelten Durchgang. Als die Tür hinter ihr zuschnappte, sprang eine Lampe von Rot auf Blau um. Sie schob die nächste Tür auf und trat in einen Raum, der nicht größer als eine Abstellkammer war. Darin befanden sich zwei Klappbetten, die denen im Wohnwagen ähnelten, ein Schrank mit Vorräten und ein weiterer mit Waffen und Notfallausrüstung.
Mit der Schrotflinte auf dem Schoß saß Lise auf einem Bett. Um die Hüften hatte sie sich zwei Glocks gegürtet. Sie war beidhändig geschickt: Ohne Schwierigkeiten traf sie an einem fünfzig Meter weit entfernten Baum zwei Äpfel gleichzeitig. Als Max hereinkam, stand sie auf, legte sich den Lauf der Flinte über die Schulter und begutachtete Max kurz.
»Scheiße. Sie meinten zwar, dass du lebst, aber ich war mir nicht sicher, ob irgendwer das überleben kann.« Lise legte den Kopf schräg. »Wenn du nicht wolltest, dass ich mir deine Klamotten ausleihe, hättest du einfach was sagen können.«
Max grinste. »Tut mir leid. Vielleicht beim nächsten Mal. Wo ist Giselle?«
»Im Wohnwagen.«
»Wo sind wir?«
»An einem Rastplatz in Ontario, in der Nähe der Highways Fünfzehn und Zehn.«
»Gut. Damit sind wir raus aus Selanges Territorium. Hier findet sie uns nicht so leicht, solange die Schutzzauber aktiv sind. Zeit für eine Dusche.« Max drehte sich zu Akemi um, die ihr gefolgt war. »Sieh nach Giselle, hol dir was zu essen und wechsel dich mit Niko und Tyler ab. Ihr müsst alle etwas essen, bevor es wieder Ärger gibt.«
»Was ist mit diesem puk gai? «, fragte Akemi matt. Ihre Augen waren so ausdruckslos wie die einer Schlange.
Ganz offensichtlich war sie nicht froh darüber, dass Alexander jetzt dazugehörte. »Zieht ihm was an und gebt ihm zu essen. Wir brauchen ihn vielleicht noch.«
Die kleinere Frau verzog den Mund. »Er weiß nicht, was Loyalität ist.«
»Wäre es dir lieber gewesen, wenn er zugelassen hätte, dass sie mich töten?«
Akemi presste die Lippen aufeinander und machte große Augen. Energisch schüttelte sie den Kopf und sagte widerstrebend: »Er ist ihr Primus gewesen. Du würdest dich nie gegen uns wenden.«
Ihr totales Vertrauen ließ Max die Knie weich werden. »Das weißt du nicht. Außerdem geht es ums Überleben. Er hat kaum eine Wahl.«
»Ich weiß es, und er hat eine.«
Bei solcher Schwarz-Weiß-Malerei halfen keine vernünftigen Argumente. Max atmete durch und ließ die Sache auf sich beruhen. Sie beneidete Akemi dafür, dass
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