Shadowdwellers: Magnus (German Edition)
Sanktuarium? Du traust mir zu viel zu, wenn du denkst, dass ich zur gleichen Zeit das mit Henry hätte einfädeln und das neugierige kleine Miststück Tiana hätte töten können.«
Der Beobachter im Gang, den sie unwissentlich gestört hatten. Doch wer konnte das sein? Es gab so viele Frauen im Sanktuarium, es hätte jede sein können! Oder vielleicht war es ja doch ein Mann, der die Fäden zog.
»Wie viele?«
»Oh ja. Anders als ein Mann bin ich nicht so dumm, dass ich dir das verrate, bevor ich weiß, wem gegenüber du loyal bist. Wenn ich nicht gesehen hätte, wie du Magnus dazu gebracht hast, dir hinterherzuhecheln, hätte ich dich schon längst getötet. Aber mir ist klar, dass du die Macht über ihn genießt. Wie raffiniert du ihn zuvor ausgetrickst hast. Er hat dir sogar erlaubt, ihn zu fesseln! Der große und mächtige M’jan Magnus! Gefesselt wie ein Sklave vor seiner Herrin! Es war wunderbar. Und wie du dich geweigert hast, ihn loszubinden, und ihm einen runtergeholt und dich dann einfach abgewandt hast, um deine Überlegenheit zu genießen. Absolut brillant.«
»Danke«, sagte Dae teilnahmslos, und sie war erstaunt, wie gut sie ihren wilden Zorn unterdrücken konnte. Diese geisteskranke Harpyie hatte jeden Augenblick ihres Zusammenseins beobachtet und machte daraus etwas Hässliches und Niederträchtiges! Zugegeben, Dae hatte ihre Macht genossen, als sie Magnus Genuss verschafft hatte, doch das Schlüsselwort war »Genuss«. Es hätte ihr nichts bedeutet, wenn Magnus keinen Genuss verspürt hätte. Und was ihre Weigerung betraf, ihn loszubinden, hatte das allein damit zu tun gehabt, dass sie Angst hatte. Sie hatte einfach Angst gehabt, den nächsten Schritt zu tun. Das Nachgeben und die Zärtlichkeit, die darauf gefolgt waren, hatten Zustimmung von Daenairas Seite bedeutet, doch Nicoya hatte das als bloße Taktik verstanden.
Sie sah wieder einmal nur das, was sie sehen wollte.
Doch darin lag auch Nicoyas Vorteil. Weil Nicoya wirklich mit einem Bußpriester auf Augenhöhe war, war sie für Dae eine tödliche Gefahr.
»Ich bin allerdings neugierig, was für mich dabei herausspringen würde. Wie du gesagt hast, ich habe den mächtigsten Mann im Sanktuarium schon um den Finger gewickelt.« Sie legte die Finger vielsagend um den Griff des Sai und grinste. »Oder sollte ich lieber sagen, ich habe den Finger um ihn gewickelt?«
Nicoya kicherte und schwang noch immer ihre Klinge, während sie auf Schwertlänge an Dae herankam. Daenaira hatte bemerkt, dass die andere es vermied, das Schwert mit dem Schnee in Berührung zu bringen. Entweder war sie genauso pingelig wie Magnus, was den Umgang mit Waffen anging, oder sie wollte verhindern, dass das Gift darauf verdünnt wurde.
Ihr fiel ein, dass jemand ihr Unterricht gegeben haben musste. Wahrscheinlich Shiloh zu Anfang, und dann Cort, sobald sie Shiloh überflügelt hatte. Dann hatte sie ihren Priester unterstützt, damit er an Magnus herankam … doch sie hatte sich abgesichert, indem sie Cort ebenfalls unter der Knute hielt, zumindest machte es den Anschein. Sie musste nur auf den richtigen Moment warten, um Magnus aus dem Weg zu räumen und als erste Frau in der Geschichte an seine Stelle zu treten. Und weil das Sanktuarium und der Tempel nicht in den Hoheitsbereich der Kanzler fielen, wäre sie die absolute Herrscherin in ihrer kleinen Welt. Es war ein wirklich schlauer Plan.
Doch wer gehörte noch dazu? War Nicoya wirklich so schlau? Dae kannte sie nicht gut genug, um sicher sein zu können, dass da nicht noch jemand hinter dem offensichtlich kranken Hirn dieser Frau stand.
»Ich mag dich«, sagte Nicoya fröhlich. »Ich weiß, dass andere so ihre Zweifel haben wegen dir; sie denken, du bist ein Platzhalter oder zumindest eine Verrückte, aber ich mag dich.«
»Was soll dann das mit dem Schwert, wenn du mich doch magst?« Daenaira zückte ihr Sai und schlug mit dem Zacken gegen das obere Ende der schwarzen Klinge, und Metall glitt über Metall, bevor sie es wieder zurückzog. Nicoyas Augen weiteten sich, doch als Daenaira wie beiläufig zurückwich und das Spiel mit dem Sai wieder aufnahm, lachte Nicoya erneut.
»Du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich vorsichtig bin. Magnus hat so eine Art, das Gute in anderen hervorzubringen. Es ist sehr schwer, die Personen, die ihm am nächsten sind, von ihm abzubringen. Ehrlich gesagt, als meine Freunde im Senat dachten, es könnte amüsant sein, Trace gegen Magnus und die Kanzler auszuspielen, wusste ich,
Weitere Kostenlose Bücher