Shadowdwellers: Magnus (German Edition)
getragen, ihre Füße waren ungepflegt und schmutzig, und er hatte einen Blick auf ebenfalls raue Knie erhascht. Er hätte wetten können, dass sie auch ein paar blaue Flecken hatte, und das nicht nur von der Rauferei mit den Wachen.
Bei dem Gedanken runzelte er zornig die Stirn. Der Wachmann würde dafür büßen, dass er sie geschlagen hatte. Oh ja, dafür würde er bestraft werden. Und falls er herausfand, dass einer von ihnen versucht hatte, ihr an die Wäsche zu gehen, würde er ihn kastrieren. Vielleicht würde er das sogar ihr überlassen, da sie Gefallen daran zu finden schien. Er musste grinsen, als er daran dachte, wie sie ihm mit dem Fuß bewusst gemacht hatte, wie verwundbar er selbst ihr gegenüber gewesen war.
»Das finde ich nicht«, antwortete er leichthin und machte sich daran, seine Werkzeugschublade zu öffnen, um ihr dieses verdammte Halsband abzunehmen. Allein schon der Anblick verstimmte und enttäuschte ihn, was sein Volk betraf. Er hatte bereits Wachen losgeschickt, um ihre erbärmlichen Verwandten herbeizuschaffen, obwohl er davon ausging, dass sie längst abgehauen waren. Doch es herrschte noch ein paar Stunden Tageslicht, und sie konnten die Stadt nicht verlassen. Er würde sie finden. Und wenn er sie hätte, würden sie genauso leiden, wie sie gelitten hatte.
Er nahm an, dass sie ziemlich erschrocken waren, als die Wachen vor der Tür gestanden hatten und einen Brautpreis für ein Mädchen boten, das angeblich bei ihnen war. Drenna sei Dank, dass die Wachen hartnäckig geblieben waren. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wozu die beiden in der Lage gewesen wären, um ihre Spuren zu verwischen. Schon bei dem Gedanken krampfte sich ihm der Magen zusammen vor Zorn.
»A-aber … «, stammelte sie und wirkte zum ersten Mal unsicher. »Ich bin nicht … ich meine, ich kann nicht … ich bin ungezogen. U-und vulgär.«
»Manieren kann man lernen, wie alles andere auch. Du bist ziemlich klug.«
»Nein. Bin ich nicht!«, wandte sie erregt ein und stemmte wütend die Hände in die Hüften. »Ich war nicht einmal in der Schule!«
Magnus ließ die Schneidewerkzeuge fallen, dass es klirrte, und drehte sich zu ihr um.
Sie lächelte selbstgefällig, und einen Augenblick lang dachte Magnus, sie wollte ihn auf den Arm nehmen. Doch dann bemerkte er, dass sie glaubte, sie habe diesen Punkt für sich entschieden. Was hieß, dass sie die Wahrheit sagte. Sie hatte so etwas Ähnliches schon einmal gesagt, doch er hatte gedacht, dass …
Und wieder musste er sie nicht berühren, um zu wissen, dass es die Wahrheit war. Seit Karris Verrat war es ihm immer schwerer gefallen, jemanden beim Wort zu nehmen, ohne ihn zu berühren und die Wahrheit bestätigt zu bekommen. Doch verständlicherweise wollte sie nicht angefasst werden, und er hatte ihr bereits versprochen, dass er es ohne ihr Einverständnis nicht tun würde. Das würde sich natürlich schnell ändern, weil Priester und Dienerin im Verlaufe eines normalen Tages ständig miteinander umgingen, doch bis auf Weiteres würde er sich Zeit lassen, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
»Wie alt bist du?«, hörte er sich fragen.
»Zwanzig.«
Gute Götter. Sie war im Grunde noch ein Kind. Doch in ihren Augen lag eine kalte Reife, und wahrscheinlich fühlte es sich einfach deswegen so an, weil er … was? Fünfzehn Mal so alt war wie sie?
»Kannst du lesen?«
»Natürlich«, sagte sie verächtlich.
»Schreiben?«
»Ja«, seufzte sie ungeduldig. »Meine Mutter hat es mir beigebracht. Ich hab Köpfchen, auch wenn ich nicht besonders gebildet bin. Ich bin noch nie im Sanktuarium gewesen.«
»Nein. Du warst eine Sklavin, bevor du alt genug warst, um zur Schule zu gehen«, stellte er fest. Kinder von Schattenbewohnern wurden zu Hause unterrichtet, bevor sie mit dreizehn zum Unterricht ins Sanktuarium gingen.
Das bedeutete auch, dass sie nie Unterweisung in Sex bekommen hatte. Zumindest nicht die offizielle, die jeder Schattenbewohner bekam, wenn er das Sanktuarium besuchte. Ihre Kultur glaubte, dass jeder in den körperlichen Genüssen unterwiesen werden sollte, anders als zum Beispiel die Menschen, die ihre hilflosen Vögelchen aus dem Nest kickten, damit die es auf die harte Tour lernten. Für K’yindara bedeutete das, dass alles, was sie erlebt hatte, wahrscheinlich erzwungen oder unerfreulich gewesen war.
Bei dem Gedanken musste sich Magnus abwenden, damit sie die Wut in seinen Augen nicht sah. Beim Licht, er konnte sich nicht erinnern, dass er je so
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