Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
aufgestanden.
Nicht nur der weiße warme Teil des Gemachs war mir angenehm und vertraut – auch hier begeisterte mich die Schönheit. Ihre Welt war der helle strahlende Sommertag, der keine Geheimnisse barg, seine die dunkle funkelnde Nacht, in der alles möglich war. Ich legte den Kopf in den Nacken. Waren an die Decke hoch über mir Sterne gemalt, oder sah ich ein Stück Himmel aus einer anderen Welt?
Ich befand mich in seinem Schlafgemach. Ich erinnerte mich an diesen Raum. Ich war hier. Würde er auch kommen? Konnte ich endlich das Gesicht meines längst verlorenen Liebhabers sehen? Wenn er mein geliebter König war, wieso hatte ich dann solche Angst?
Beeil dich! Gleich ist er da … komm schnell!
Der Befehl drang durch einen gigantischen Torbogen auf der anderen Seite des Zimmers. Ich konnte dem Zwang nicht widerstehen, lief los und folgte der Stimme.
Einst stand die Seelie-Königin für den König über allem anderen, im Laufe der Zeitalter hatte sich jedoch vieles geändert. Er hatte Jahrtausende gegrübelt, die Königin erforscht, sie subtilen Prüfungen unterzogen, um herauszufinden, ob das Problem bei ihr oder bei ihm lag.
Eines Tages stellte er erleichtert fest, dass keiner von ihnen Schuld hatte, sondern dass sie sich auseinandergelebt hatten, weil sie Stagnation und er Veränderung war. Es lag in ihrer Natur. Ein Wunder, dass sie überhaupt so lange zusammengeblieben waren.
Er hätte seine Entwicklung genauso wenig verhindern können wie sie ihren Stillstand. So, wie die Königin zu diesem Zeitpunkt war, würde sie bis in alle Ewigkeiten bleiben.
Ironischerweise hätte sie, die Mutter ihres Volkes, die im Besitz des Schöpfungsliedes war, Ungeheuerliches hervorbringen können er hingegen war kein Schöpfer. Sie war Macht ohne Staunen und Neugier, Zufriedenheit ohne Freude. Welchen Sinn hatte ein Leben ohne Staunen und Freude? Keinen.
Und sie hielt ihn für gefährlich.
Immer öfter stahl er sich davon, um ohne sie andere Welten zu erkunden. Er hatte Hunger auf Dinge, die er nicht benennen konnte. Der helle oberflächliche Hof, den er früher als harmlos und unterhaltsam empfunden hatte, wurde für ihn zu einem Ort sinnloser Beschäftigung und dekadenter Vergnügungen.
Er baute eine Festung in einer Landschaft aus schwarzem Eis – einer Gegend, die in krassem Gegensatz zu allem stand, was die Königin schätzte.
In seiner dunklen stillen Burg konnte er nachdenken. Ohne die grellen Farben und die bunt gekleideten Höflinge hatte er Gelegenheit, sich zu entfalten. Hier störten ihn weder das unaufhörliche Gelächter noch die vielen kleinlichen Zänkereien.
Einmal stattete ihm die Königin einen Besuch in seiner Eisfestung ab, und er amüsierte sich zu sehen, wie sehr sie die Farblosigkeit und das eigenartige Licht, das alles nur in Schwarz, Weiß oder Blau tauchte, entsetzte. Die spartanische Umgebung entsprach seinen Bedürfnissen, während er die Vielschichtigkeit seines Daseins überdachte und entschied, was er als Nächstes sein wollte. Zu dieser Zeit hatte er seine Konkubine schon gefunden und längst festgestellt, dass er die Gesellschaft seiner Artgenossen immer nur wenige Stunden tolerieren konnte, doch noch hatte er keine Anstrengungen unternommen, selbst Feenwesen nach seinem eigenen Bilde zu erschaffen.
Die Königin zeigte sich verführerisch, listig, verächtlich. Schließlich setzte sie einen kleinen Teil des Schöpfungsliedes gegen ihren König ein. Darauf war er jedoch vorbereitet, weil er, wie sie auch, ein Stück weit in die Zukunft schauen konnte und diesen Tag vorausgesehen hatte.
Sie hielten sich zum ersten Mal in der Geschichte ihres Volkes gegenseitig mit Waffen in Schach.
Als gebieterische, unnachgiebige Matriarchin ihrer Reiches stürmte sie aus seiner Festung, und er verriegelte alle Türen hinter ihr und schwor, dass nie wieder ein Seelie seine eisigen Hallenbetreten würde, bis ihm die Königin gegeben hatte, was er wollte – die Unsterblichkeit für seine Geliebte. Nur die Königin besaß das Elixier des ewigen Lebens. Sie bewahrte es an einem geheimen Platz in ihren Privatgemächern auf. Der König wollte dieses Elixier haben und mehr: Er hatte im Sinn, seine Konkubine zu einer ihm in jeder Hinsicht ebenbürtigen Partnerin zu machen.
Ich schüttelte mich und blieb stehen. Sofort war das Eis wieder da, aber es ängstigte mich nicht mehr. Ich wartete ein paar Minuten, ehe ich einen Schritt machte und die Schicht zerbrach.
Die Erinnerungen von der Seite
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