Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
aber der Wichser hält mich am Arm fest.
»Lassen Sie mich los«, spucke ich ihm mit Schokolade- und Erdnussstückchen entgegen und denke: Wer redet heute noch von schlotternden Knien? Ich weiß, wer es ist, und er macht mir fast so viel Angst wie das Buch. »Ry-O«, sage ich echt cool.
Er grinst – so stelle ich mir das Grinsen des Todes vor: lange Reißzähne und starre Augen, die kein Körnchen …
Ich atme, ohne es selbst zu wollen, scharf ein und ersticke fast an einer Erdnuss. Ich bekomme keine Luft mehr und klopfe mir auf die Brust.
Ist er für Halloween verkleidet? So weit ist es doch noch gar nicht.
Das Pochen auf mein Brustbein hilft gar nichts, das weiß ich. Ich benutze meine Superkraft, um mich von Ryodan loszureißen, und kugle mir dabei fast die Schulter aus.
Ohne Erfolg. Seine langen Finger halten mein Handgelenk fest wie ein Schraubstock, und er sieht mir zu, wie ich würge. Eiskalter Scheißkerl. Er beobachtet, wie sich Schaum vor meinem Mundbildet und meine Augen aus den Höhlen treten. Ich sabbere! Mann – das ist echt uncool.
Ich werde auf einem Wasserturm sterben, an einem verdammten Proteinriegel ersticken. Umfallen und in die Tiefe auf den Asphalt stürzen. Alle werden es sehen.
Mega O’Malley krächzt wie Lieschen Müller!
Kommt gar nicht infrage.
Gerade als mir die Sinne schwinden, donnert er mir eine Faust in den Rücken, und ich spucke einen Mundvoll Schokoladenmatsch aus. Eine ganze Weile ringe ich um Atem. Dann füllen sich meine Lungen. Luft war noch nie süßer.
Er lächelt. Seine Zähne sind normal. Ich starre ihn an. Spielt mir meine Fantasie Streiche? Ich habe zu viele Horrorfilme gesehen.
»Ich habe einen Job für dich.«
»Keine Chance«, wehre ich prompt ab. Mit den Typen will ich nichts zu tun haben. Ich habe das Gefühl, die lassen einen nicht mehr in Ruhe. Ich habe auch ohne sie genug Probleme.
»Das war keine Bitte, Kind.«
»Ich arbeite für niemanden, der mich ›Kind‹ nennt.«
»Lass sie los.«
Ich verziehe ärgerlich das Gesicht. »Wer hat die Einladungen zu einer Party auf meinem Turm verschickt?« Ich bin richtig angepisst. Was ist eigentlich mit meiner Privatsphäre?
Einer der Keltar tritt aus dem Schatten. Bisher habe ich sie nur aus der Ferne gesehen. Mir ist schleierhaft, wie mir einer von ihnen so nahe kommen kann, ohne dass ich es merke. Unheimlich. Ich habe Supersinne, und sie können sich an mich heranschleichen. Der Schotte lacht. Aber er sieht nicht mehr aus wie ein Schotte. Er ähnelt einem … ich pfeife durch die Zähne und schüttle mitleidig den Kopf. Er wird ein Unseelie-Prinz.
Sie vergessen mich, während sie sich anfunkeln. Ry-O verschränkt die Arme. Der Schotte folgt seinem Beispiel.
Ich nutze die Gelegenheit. Ich habe keine Lust, mir anzuhören, welchen Job mir Ry-O zugedacht hat. Ich will’s gar nicht wissen.Und wenn sich ein Typ, der zur Dunklen Seite wechselt, einbildet, Erlösung zu erlangen, wenn er für mich den Racheengel spielt, hab ich schlechte Neuigkeiten für ihn. Ich bin kein bisschen scharf drauf.
Mein Ticket in die Hölle ist bereits gelocht, das Gepäck ist an Bord, die Dampflok pfeift.
Ist mir recht. Ich weiß gern, wo ich stehe.
Ich mache die Fliege.
Keine Nacht. Kein Tag. Keine Zeit.
Wir verlieren uns ineinander.
Etwas geschieht mit mir in der unterirdischen Behausung. Ich bin wiedergeboren. Zum ersten Mal in meinem Leben empfinde ich inneren Frieden. Ich bin nicht mehr im Zwiespalt. Es gibt nichts, was ich verdränge.
Angst schwächt. Ich ziehe die Wahrheit jederzeit der Angst vor.
Ich bin der Unseelie-König. Ich bin der Unseelie-König.
Ich sage mir das immer und immer wieder.
Ich akzeptiere es.
Jetzt habe ich den dunkelsten Teil von mir genau gesehen, auch wenn ich nicht weiß, wie und warum.
Es war wirklich die einzige Erklärung.
Irgendwie komisch. Die ganze Zeit habe ich mir den Kopf zerbrochen, was alle um mich herum sein mögen, während ich das denkbar Schlimmste bin.
Der dunkle glasige See – das ist er, das bin ich, das sind wir. Deshalb hat mich das dunkle Wasser immer erschreckt. Irgendwie war es mir gelungen, meine Psyche aufzuteilen und ihn einzuschließen. Mich. Die Teile von mir, die nicht vor dreiundzwanzig Jahren geboren wurden – falls ich überhaupt geboren wurde.
Ich kann mir kein Szenario vorstellen, das mich zu dem gemacht hat, was ich bin. Aber meine Erinnerungen sind unstrittig.
Ich stand in dem Laboratorium vor knapp einer Million Jahren. Ich habe die
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