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Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)

Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)

Titel: Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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in die Tiefe schaut. Er war eine Wahrheit der Existenz: Wenn man ihm einmal ausgesetzt war, veränderte man sich für immer. Wie eine Krankheit, die Blut und Gehirn infizierte, erzwang er, dass sich neue Nervenstränge entwickelten, nur damit man den kurzen Kontakt verarbeiten konnte. Ohne dies würde man dem Wahnsinn verfallen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde verstand ich alles. Alles ergab Sinn. Die Universen, die Galaxien – die Existenz entfaltete sich exakt so, wie sie sollte, und da war Symmetrie, ein Muster, eine verblüffend schöne Struktur.
    Ich war winzig klein und nackt in diesen schwarzen samtenen Flügeln, die so üppig, stark und sinnlich waren, dass ich nie wieder weg wollte. Seine Dunkelheit war nicht angsteinflößend. Sie war fruchtbar und vibrierte vor Leben, das noch im Entstehen war. Welten waren wie schimmernde Perlen in den Federn versteckt. Ich wälzte mich zwischen ihnen und lachte vor Freude. Ich glaube, er rollte sich mit mir, beobachtete meine Reaktion, lernte mich kennen, schmeckte mich. Ich kugelte inmitten von Planeten, Konstellationen, Sternen herum. Sie hingen an seinen Federn und zitterten vor Ungeduld. Sie warteten auf den Tag, an dem er sie von ihren Fesseln befreite, ins Spielfeld warf und zusah, wie sie sich schlugen. Flieg, Ball, flieg …
    Ich nahm die Umgebung durch seine Augen wahr: Staubkörnchen tanzten in einem Sonnenstrahl, der durch eine Spalte in einem Scheunendach drang. Es war ihm zuzutrauen, dass er mit der Hand durch diese Körnchen, durch uns, wischte und beobachtete, wie wir in alle Richtungen rannten, bevor er sich abwandte und davonging. Oder vielleicht nieste er uns ins Nichts, wo wir durchs Vergessen wirbelten und uns nie wiedersehen würden.
    Nach unseren Maßstäben war er verrückt. Vollkommen verrückt. Doch hin und wieder tauchte er aus den Tiefen auf und balancierte auf dem schmalen Grat der geistigen Gesundheit. Es dauerte nie lange.
    Nach seinen Maßstäben waren wir Papierpuppen, flach und eindimensional. Wir kläfften hysterisch – so klang es in seinen Ohren. Doch hin und wieder balancierte auch einer von uns auf dem schmalen Grat der geistigen Gesundheit. Das dauerte ebenfalls nie lange.
    Trotzdem war alles gut. Es gab das Leben, und Veränderungen kamen vor.
    Mich hielt er für relativ gesund, obwohl ich lachte, bis mir die Tränen kamen, als ich mich in seinem Gefieder wälzte. Weil ich seinen Stempel in mir trug? Wenn ich ein leuchtendes Beispiel unserer Spezies war, sollte man uns alle erschießen.
    Er zeigte mir einiges. Nahm mich an der Hand und führte mich in ein großes Theater, wo ich von der ersten Reihe aus ein endloses Spiel von Licht und Schatten betrachtete. Er saß in einer Loge mit roten Samtstühlen nahe der Bühne und ließ mich nicht aus den Augen.
    »Ich hab nie alles aus mir herausbekommen.« Seine volle, melodiöse Stimme dröhnte aus allen Lautsprechern.
    »In das Buch?«
    »Man kann das fundamentale Selbst nicht herausschneiden.«
    »Spielst du wieder den Doktor?«
    »Ich versuch’s. Hörst du diesmal?«
    »Er stiehlt dein Buch. Hörst du? «
    Der Junge mit den verträumten Augen wandte den Kopf von der Bühne ab, und das Theater verschwand. Wir standen wieder in der Höhle.
    Seine Schwingen umhüllten mich nicht mehr.
    Ich war allein und fror. Er fehlte mir. Ich sehnte mich nach ihm. Es tat weh.
    »Das geht vorbei«, sagte er geistesabwesend. »Du wirst denTrennungsschmerz vergessen. Das tun alle.« Er richtete den Blick auf V’lane. »Ja. Er stiehlt.«
    »Willst du ihn nicht aufhalten?«
    » Que sera, sera. « Orgelklänge aus der Hölle intonierten die Melodie. »Es ist deine Verantwortung. Du solltest dich darum kümmern.«
    »›Sollte‹ ist ein falscher Gott. Das ist nicht lustig.«
    »Einige Veränderungen sind besser als andere.«
    »Erklär mir das.«
    »Wenn du ihn stoppst, werden die Veränderungen interessanter.«
    »Subjektive Meinung.«
    »Genau wie deine«, entgegnete er pikiert.
    Seine Augen glitzerten amüsiert. »Wenn er mich ersetzt, werde ich etwas anderes.«
    Ich hörte fast das Sinsar Dubh: Ist nicht jeder Akt der Zerstörung nach einer gewissen Zeit ein Akt der Schöpfung? Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm.
    »Ich will nicht, dass du ersetzt wirst. Ich mag dich so, wie du bist.«
    »Flirtest du mit mir, schönes Mädchen?«
    Ich versuchte zu atmen und konnte es nicht. Der Unseelie-König berührte mich, küsste mich. Ich fühlte seine Lippen auf meiner Haut, und ich … ich …

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