Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
gezwängt, und die Wände dieser Kiste hatten mich geformt. Jetzt war die Kiste weg, und ich spürte, dass ich zu einer amorphen Masse zusammenfiel.
Was nun? Ich brauchte Zeit, um die jähen Veränderungen in meiner Realität zu verarbeiten und meine Emotionen neu zu justieren. Was mich noch mehr durcheinanderbrachte, war, dass ich trotz aller Freude über Barrons’ Überleben … na ja, ärgerlich war. Richtig wütend, um genau zu sein. Etwas brodelte in mir, und ich wusste nicht einmal, was das war. Im tiefsten Inneren loderte jedoch blanker Zorn auf, und ich kam mir richtig dämlich vor. Als würde ich voreilige Schlüsse ziehen, die jeder Logik entbehrten.
Ich stieg gründlich missgelaunt aus der Dusche und sah meine Klamotten durch – ich war mit allen unzufrieden.
Gestern hätte ich im Voraus schon genau gewusst, was ich anziehen sollte. Heute war ich ratlos. Pink oder Schwarz? Vielleicht war es an der Zeit, dass ich mir eine neue Lieblingsfarbe aussuchte oder gar nicht mehr auf Farben achtete.
Regen prasselte gegen die Fensterscheibe, während ich suchte. Dublin war wieder einmal grau.
Ich entschied mich für eine graue Jogging-Caprihose mit der Aufschrift JUICY auf dem Hinterteil, ein Sweatshirt mit Reißverschluss und Flipflops. Solange Barrons nicht da war, wollte ich unten im Ladenraum ein wenig aufräumen.
Immerhin hatte ich getan, was er verlangt hatte. Meine Eltern waren frei, ich lebte noch, Darroc war tot, und die Steine befanden sich von mächtigen Schutzrunen gesichert in dem Schlafzimmer im Penthaus. Meinem Rechtsverständnis nach gehörte der Buchladen jetzt mir.
Das hieß, ich besaß auch einen Lamborghini und einen Viper.
»Es war auch nicht meine verdammte Idee«, hörte ich Barrons knurren, als ich die Hintertreppe hinunterging.
Die Tür zu seinem Arbeitszimmer stand einen Spaltbreit offen, und ich bekam mit, dass er herumlief, Gegenstände in die Hand nahm und wieder abstellte.
Ich blieb lächelnd stehen und genoss die schlichte Freude, seine Stimme zu hören. Bis ich ihn verloren hatte, war mir nicht klar gewesen, wie leer mein Leben ohne ihn war.
Mein Lächeln verblasste. Ich trat von einem Fuß auf den anderen.
Meine Stimmung mochte so strahlend sein wie Sonnenlicht auf glattem Wasser, doch unter der reglosen Oberfläche gab es eine finstere Strömung.
Ich war durch den Drang, das Universum zu dezimieren, tiefer in dieses Gewässer geraten, als mir lieb sein konnte. Ich war wild entschlossen, all das finstere Wissen aus dem Buch zu verwenden – um jeden Preis –, und wollte alles tun, was es mich lehren konnte, um diese Welt durch eine neue zu ersetzen. Und das nur, weil ich glaubte, Jericho Barrons wäre tot.
Dabei hatte ich keinen exakten Plan – ich wollte mir nur das Buch schnappen und durchlesen, in dem festen Glauben, dass ich die Zauber von Schöpfung und Zerstörung meistern würde. Im Rückblick erstaunte mich mein Verhalten. Fanatische Ambitionen, unsinnige Zielsetzung.
Alinas Tod hatte mich nicht so durcheinandergebracht.
Ich fuhr mit den Händen in meine Haare und zerrte daran, als ob der leichte Schmerz meine Gedanken klären und Licht auf meinen vorübergehenden Irrsinn werfen könnte.
Der Aspekt des Verrats oder Treuebruchs muss mich so verrückt gemacht haben. Wäre nicht ich diejenige gewesen, die auf ihn eingestochen hatte, wäre ich nie derart übergeschnappt. Natürlich, der Schmerz über den Verlust von Barrons war heftig gewesen, aber erdrückt hatten mich die Schuldgefühle. Ich hatte mich gegen meinen Beschützer gewandt, und es hatte sich herausgestellt, dass Barrons dieser Beschützer gewesen war.
Scham, nicht Trauer hatte meinen Rachedurst angestachelt. Das war es. Das schlechte Gewissen hatte mich zu einer Besessenen gemacht, die sich vornahm, eine Welt auszulöschen und eine andere zu erschaffen. Wäre ich irgendwie an dem Mord an Alina beteiligt gewesen, hätte ich vermutlich genauso reagiert. Nicht Liebe hätte mich in diesem Fall motiviert, sondern das drängende Bedürfnis, meine eigene Schuld auszumerzen.
Jetzt, da sich die Trauer nicht mehr wie eine starke Faust um mein Herz schloss, war mir klar, dass ich mein Vorhaben nie hätte ausführen können.
Die Welt nur für Jericho Barrons neu kreieren? Ein lächerlicher Gedanke.
Ich hatte Alina verloren und mich nicht in eine alles vernichtende Todesfee verwandelt, obwohl ich sie mein ganzes Leben lang geliebt hatte.
Barrons kannte ich nur wenige Monate. Wenn ich für
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