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Shakespeare erzählt

Shakespeare erzählt

Titel: Shakespeare erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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und sein Volk waren ein alberner Haufen. Kein Tag, an dessen Abend nicht die Rippen vom Lachen weh taten. Später, als sie alle wieder nach Hause zurückgekehrt waren, fragten sie sich manchmal: »Worüber haben wir damals eigentlich so gelacht?« Und sie wußten keine gescheite Antwort. »Über alles haben wir gelacht.«
    »Aber das ist doch nicht normal«, wurde ihnen geantwortet. »Was heißt schon normal! Wir waren halt damals so, solche Typen«, sagten sie und lächelten verklärt, und in dem verklärten Lächeln war eine Spur des ehemals verrückten Lachens.
    Manchmal aber kehrte sich die Miene des Herzogs nach innen. Allerdings nur ein bißchen. Und höchstens für knapp zehn Minuten, und das maximal einmal pro Woche. Da erinnerte er sich nämlich an seine Tochter. Er seufzte und sagte: »Rosalinde!«
    Nicht, daß er sich Sorgen um seine Tochter gemacht hätte. Es wäre ihm nur lieb gewesen, sie hier im Paradies um sich zu haben. Denn diese Rosalinde ist weiß Gott ein seltenes Exemplar …
     
    Rosalinde lebt im Schloß ihres Vaters, in dem nun ihr Onkel das Sagen hat, und auch sie hat manchmal Sehnsucht. Aber auch sie macht sich keine Sorgen. Das ist ja allgemein bekannt, daß es denen im Ardennerwald an gar nichts mangelt. Sie hat Sehnsucht nach dem Vater, weil er eben ihr Vater ist.
    Warum ist Rosalinde nicht zusammen mit dem Herzog in den Ardennerwald gezogen?
    Rosalinde hat eine Cousine, Celia heißt sie, sie ist des schattigen Friedrichs Tochter. Und Celia und Rosalinde können ohne einander nicht sein. Sie sind nebeneinander geboren worden, haben am selben Tisch gelernt, den Löffel zu halten, den ersten Liebeswunschseufzer haben sie gemeinsam zum Himmel geschickt, sie lachen über punkt das gleiche und weinen über genau dasselbe. Und als der Herzog von Friedrich in die Freiheit verdrängt wurde, stand fest, entweder sie gehen beide mit, oder sie bleiben beide da. Und weil Friedrich mehr Druck machte, daß sie bleiben, als sein Bruder, daß sie gehen, blieben sie. Friedrich, das muß ihm zugute gehalten werden, liebt seine Tochter Celia, und auch wenn er sich innerlich heftig dagegen sträubt, er liebt auch seine Nichte Rosalinde. Wer Rosalinde kennt, der wird sich nicht darüber wundern.
    Einmal trifft Celia ihre Cousine mit traurigem Gesicht an. »Ist es wieder, weil du den Vater vermißt?«
    »Er fehlt mir nicht, aber ich vermisse ihn.«
    »Da geht es dir umgekehrt wie mir. Ich vermisse meinen Vater nicht, aber er fehlt mir«, sagt Celia. Celia achtet sehr darauf, in Wortspielen zu reden. Weil nämlich Rosalinde oft in Wortspielen redet. Der Unterschied ist: Bei Rosalinde spielen die Wörter mit sich selbst und ohne Anleitung, bei Celia dagegen herrschen doch meistens Pointenstreß und Witzkommando. Was aber nicht heißt, daß Celia eifersüchtig auf ihre Base wäre. Im Gegenteil: Celia bewundert Rosalinde.
    Rosalinde ist Celias Vorbild. In allem. Und das verbirgt sie weder vor ihr noch vor sich selbst. Aber ist es ein Wunder? Rosalinde kann einem in die Augen schauen, und es ist die Unschuld selbst, die ihr sanftes Licht aussendet. Und wenn sie spricht und einer bis dahin der Meinung war, die Unschuld müsse zwangsläufig naiv sein, denn Ironie und Unschuld liegen so weit auseinander wie auf der Erde Nordpol und Südpol, muß er nun seinen Vorurteilskasten von Grund auf neu zusammensetzen, denn er wird zu seinem Entzücken mit einer solchen Überfülle an Witz in Wort und im Gedanken beschenkt, daß er an der Doktrin von der Langweiligkeit des Himmels zu zweifeln beginnt und nimmer aufhören möchte, diesem Fräulein zuzuhören.
    Und wie wunderbar neugierig Rosalinde ist! Alles will sie wissen. Und es kann ihr gar nicht schnell genug gehen, über die Menschen etwas Neues zu erfahren. Heißt das, sie ist an Tratsch interessiert? Nein, ja, nein, ja, nein! Sie liebt die Menschen, alle Menschen, und sie denkt über jeden nur das Beste, und sie möchte nicht, daß ein Gutes, und sei es noch so klein, vergessen wird.
    Celia liebt und verehrt Rosalinde, und wenn sie ihre Freundin traurig sieht, schaut sie sich um, wo Ablenkung sein könnte.
    »Laß uns auf den Marktplatz gehen!« sagt sie.
    »Was gibt es denn dort?«
    »Dort gibt es immer etwas.«
    »Gib zu, du weißt es schon!«
    Ja, Celia weiß, was heute auf dem Marktplatz los ist. Ein Ringkampf soll stattfinden: der berüchtigte Rippenentzweibrecher Charles gegen einen ambitionierten Nobody.
    Auch Friedrich will sich den Kampf ansehen. Ergänzend zu

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