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Shakespeare erzählt

Shakespeare erzählt

Titel: Shakespeare erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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den Wald hinaus wirft.
    Und niemand ahnt, was für eine Gefahr droht.
     
    Friedrich. Jawohl, Friedrich! Des Herzogs Bruder. Vater von Celia. Er hat es nicht ausgehalten. Es hat so gebrannt in seiner Brust! Der Neid! Alle redeten davon! Daß der Herzog im Ardennerwald ein Leben führe, um das ihn jeder im Land beneidet; daß die besten Männer, und zwar freiwillig, ihre Besitztümer im Stich lassen, um im Wald auf dem Boden zu schlafen und zu essen, was sie zu Hause in die Küche zurückschicken würden. Daß sie »pst!« rufen, wenn ein Vogel zu zwitschern anfängt, wo sie doch zu Hause während der schönsten Konzerte ungeniert ihr Mundwerk haben mahlen lassen; daß sie hier stundenlang über die Farbe der kleinen Tiere diskutieren können, wo sie zu Hause nicht einmal die Geduld aufbrachten, sich die Schulerfolge ihrer Kinder anzuhören.
    »Was ist sein Trick?« ließ Friedrich fragen.
    »Der Herzog hat keinen Trick«, hieß es.
    »Warum liebt ihn jedermann?«
    »Weil er ist, wie er ist«, hieß es.
    Dann soll er nicht mehr sein, dachte Friedrich und stellte ein Heer zusammen, einen Haufen von Haudegen, die von weit her kamen, wo noch nie einer von diesem naturlieben Herzog gehört hat. Und Friedrich zog in den Ardennerwald. Der Plan war einfach: Umzingeln und niedermachen, mit Stumpf und Stil.
    Aber dann, als Friedrich schon nahe der Lichtung war, trat ein Mann aus dem Wald und stellte sich dem Haufen in den Weg.
    »Keinen Schritt weiter, Friedrich!« befahl er. Nein, der sah nicht aus, als ob er auch nur über irgendeine Macht verfügte. Abgeschabt war sein Rock, die Hose aufgetrennt, so daß sie nur in Bändern um die Beine schlotterte, ein verfilzter Zopf stand im Nacken ab wie der Stiel von der Pfanne, im Bart wuselten kleine Gäste. »Friedrich, steig von deinem Pferd, Friedrich!« sagte er.
    Und man glaubt es nicht: Friedrich stieg von seinem Pferd. Und weiter: Er hockte sich mit diesem Muster von einem Einsiedler auf den Boden und hörte sich an, was der ihm zu sagen hatte. Und was sagte er?
    »Geh in dich, Friedrich! Bereue, Friedrich! Komm endlich zur Ruhe, Friedrich! Denk nicht dauernd nur an deinen Bruder, Friedrich, sondern denk an dich, Friedrich!« Und so weiter. Gar nichts Originelles. Auch hatte er keine besonders raffinierte Stimme, und Gesten machte er die üblichen.
    Wie auch immer. Am Ende hatte der Lumpenmann den Friedrich umgedreht. Keine zwei Steinwürfe vom Kopf seines Bruders entfernt, bereute er, daß er diesen Kopf hatte einschlagen wollen, ging in sich, dachte über sein Leben nach, ließ seine Herzenskammern ausweißeln, räumte das Regal mit den Äxten und Hämmern, den Spießen und Ketten aus und beschloß, Mönch zu werden.
    Es ist die Wahrheit. Vielleicht, so wurde gemunkelt, alles nur deshalb, weil bis dahin noch nie einer in so kurzer Zeit so oft den Namen »Friedrich« in Friedrichs Anwesenheit ausgesprochen hatte.
    Als Nackter tritt der Bekehrte vor seinen Bruder hin. »Alles bekommst du zurück. Das Schloß ist dein. Mich hast du los. Wenn du willst, kannst du zurückkehren.«
    Und seltsam: Damit hatte der Ardennerwald mit einem Schlag alle Attraktivität verloren. Als bekannt wurde, daß der alte Herzog wieder in Amt und Würden war, fand keiner seiner Anhänger den Moosboden mehr angenehmer als ein Bett und keiner das Quellwasser süffiger als den Wein und keiner ein Vogelgezwitscher feiner fürs Ohr als eine Cellosuite. Die Albernen wurden ernsthaft; daß sie gut waren, genügte ihnen nicht mehr, sie wollten besser werden, womöglich die Besten.
    Alle gingen heim und erzählten später, was sie einst für Typen waren.
    Und Rosalinde? Sie macht eine Verbeugung und sagt: »Lebt wohl!«

Romeo und Julia
    In Verona herrscht eine ungute Stimmung. Die beiden einflußreichsten Familien, Capulet und Montague, spalten die Stadt in zwei Parteien, zerreißen sie in zwei Fetzen. Bei Gericht stapeln sich die Klagen, was die Montagues den Capulets vorwerfen, prangern die Capulets als deren Schandtaten an. Wenn die Capulets ihren Sieg behaupten, feiern die Montagues deren Niederlage. Um eine Lösung des Konflikts bemüht sich schon lange keiner mehr. Wegen Sinnlosigkeit. Wo liegt der Grund für diesen Streit, was war sein Anlaß? Fragen Sie nicht! Dieser Streit dauert schon lange, er ist Teil der Familientraditionen, an die Ursachen kann sich beim besten Willen niemand mehr erinnern. Da ist eines dem anderen angehängt, tausendmal das eine dem tausendsten anderen nachgerechnet und

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