Shakespeare erzählt
Ende sagt Helena: »Führ mich zum König, ich kann ihm helfen!«
»Du? Du willst besser sein als die besten Ärzte unseres Landes?«
»Vielleicht bin ich besser, vielleicht bin ich nicht besser«, sagt Helena. »Das kann man nur herausfinden, wenn ich den König behandle. Bin ich nicht besser, entsteht kein zusätzlicher Schaden. Bin ich aber besser, wird der König nicht sterben.«
Und dieser Bertram wird nicht sein Nachfolger werden, denkt der Lakai den Satz zu Ende. Ein gutes Argument. Das beste Argument. Der Lakai führt Helena zum König.
»Ich bin die Tochter von Gerard de Narbonne«, stellt sie sich vor.
Natürlich kennt der König Gerard de Narbonne. »Ach, wenn dein Vater noch lebte,« seufzt er, »dann dürfte ich armer Mann Hoffnung haben.«
»Ich habe die Aufzeichnungen meines Vaters studiert, ich weiß alles, was er wußte. Ich werde Euch heilen.«
Und Helena behandelt den König. Und der König wird gesund. Die Ärzte sprechen von einer ungewöhnlichen Abweichung, das Volk spricht von einem Wunder.
Der König aber sagt zu Helena: »Ich will dich für deinen Dienst bezahlen. Nenn die Summe, und geniere dich nicht! Du würdest mich beleidigen, wenn du zu bescheiden bist.«
Die kluge Helena schüttelt ihren reizenden Kopf: »Ich würde Euch beleidigen, wenn ich Geld verlangte. Als ob das Leben des Königs mit Gold aufgewogen werden könnte.«
»Aber ich kann dich doch nicht ohne Lohn ziehen lassen!«
»Man sollte immer Gleiches gegen Gleiches tauschen«, sagt Helena. »Ich habe Euch einen Wunsch erfüllt. Habe ich recht?«
»Den größten Wunsch hast du mir erfüllt! Denn einen größeren Wunsch, als zu leben, gibt es nicht.«
»Dann erfüllt auch meinen größten Wunsch!«
»Das soll geschehen! Sprich aus, was du dir wünschst, und ich werde, wenn es nötig ist, eine Armee ausrüsten, um es herbeizuschaffen.«
»O nein, das wird nicht nötig sein! Ich wünsche, daß mich ein ganz bestimmter Mann heiratet. Ihr seid der König, Ihr könnt das veranlassen.«
Ja, das kann der König.
»Und wie heißt dieser Mann?«
»Bertram von Roussillon.«
Versprochen ist versprochen. Bertram wird hergebracht. Ein Priester wird hergebracht. Die Trauung wird durchgezogen. Bertram und Helena sind Mann und Frau.
Das war leicht. Keine Anstrengung für einen König. Und auch wenn es Helenas größter Wunsch war, dem König scheint es doch recht wenig dafür, daß sie sein Leben gerettet hat.
»Schön, wenn du dich freust«, sagt er. »Bertram ist der Lohn für deine Arbeit, wie du gewünscht hast. Der Lohn steht dir zu. Dies hier aber ist ein Geschenk.« Er zieht einen Ring vom Finger, ein außerordentliches Stück, Gold, Silber, Edelsteine, gut ein Jahr Arbeit und im ganzen Land bekannt. »Nimm ihn! Abgesehen von seinem Wert, wird er dir alle Türen öffnen. Wann immer du in Not gerätst, gleich, wo du bist, wende dich an eine meiner Behörden, weise den Ring vor, und es wird dir geholfen werden.«
Helena nimmt den Ring. Glücklich macht er sie nicht. Ist sie denn unglücklich? Sie hat doch bekommen, was sie wollte.
Ja, Helena ist unglücklich. Hören wir uns an, was Bertram in der Hochzeitsnacht zu Helena sagt:
»Bilde dir nicht ein, daß du mich bekommen hast! Ich bin sicher nicht so vornehm wie du, und ganz sicher bin ich nicht so gescheit wie du. Ich kann ein Schwalbennest nicht von einem Turnschuh unterscheiden, und wenn ich zwei dreistellige Zahlen multiplizieren soll, muß ich mich hinsetzen. Ich weiß nicht, wie man sich benimmt, und es ist mir egal. Ich habe keinen Ehrgeiz, und das ist mir ebenfalls egal. Glaubst du, ich merke nicht, wie alle hinter meinem Rücken die Augen verdrehen und den Kopf schütteln? Kürzlich habe ich einen der Lakaien sagen hören, ich sei eine hohle Nuß. Auch das ist mir egal. Ich bin ich! Und wenn ich eine hohle Nuß bin, dann bin ich eben eine hohle Nuß! Ich bin eine hohle Nuß, gut. Aber ich bin eine hohle Nuß, die dich nicht liebt. Und wenn ich eine hohle Nuß sein will, die dich nicht liebt, dann darf ich eine hohle Nuß sein, die dich nicht liebt! Ich werde diese Ehe nicht vollziehen. Nie! Schau dir den Ring an deinem Finger an, schau ihn an! Und dann schmeiß ihn weg! Er ist nichts wert, weil ich ihn dir nicht freiwillig gegeben habe. Und jetzt schau dir den Ring an meinem Finger an! Er wird mich nicht daran erinnern, daß wir beide verheiratet sind, denn ich habe ihn nicht freiwillig angenommen. Die Frau, die ich liebe, wird diesen Ring bekommen. Und ich
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