Shakespeare erzählt
weil seit vergangener Nacht ihre Ehe auch vollzogen ist, sie waren ja einmal wie Bruder und Schwester, Helena kennt Bertram ihr ganzes Leben lang, er muß doch um mich trauern, denkt sie.
Bertram nimmt es gefaßt. Wenigstens ein schwerer Atemstoß? Nein. Oder ein trauriges Kopfschütteln? Nein. Im Gegenteil: Sein Schritt ist federnd. Froh scheint er zu sein, daß er Witwer geworden ist.
Das tut weh! Jetzt wär’s doch höchste Zeit, daß Helena aufgibt; daß sie erkennt, da ist für sie nichts zu holen, da war nie etwas zu holen, und da wird nie etwas zu holen sein.
»Ich weiß, daß du für mich gemacht bist«, sagt sie laut vor sich hin. »Und ich werde dich kriegen!«
Dann ist der Krieg vorbei, Bertram hat nicht eine Schramme abgekriegt, und er kehrt nach Paris zurück.
Der König begrüßt ihn kühl. »Ich freue mich, daß du wieder hier bist, Bertram, und ich würde mich noch mehr freuen, wenn du nicht so Hals über Kopf und ohne ein Wort in den Krieg gezogen wärst.«
Das hat er ja mitgekriegt, daß Bertram gar nicht erfreut war, als er mit Helena verheiratet wurde. Und ebenfalls mitgekriegt hat der König inzwischen, daß der Sohn seines Freundes leider, leider eine hohle Nuß ist. Also sagte er sich: Es mag vielleicht nicht in Ordnung sein, jemanden gegen seinen Willen zu verheiraten, aber in diesem Fall ist es gerechtfertigt, denn was der Kerl auf der einen Seite an persönlicher Freiheit einbüßt, gewinnt er auf der anderen Seite, wenn man bedenkt, was die Tochter von Gerard de Narbonne für ein fixes, gescheites, phantasievolles, gewissenhaftes und so weiter Mädchen ist.
Und als der König, in solche Gedanken versunken, Bertram die Hand schüttelt, spürt er einen ungewohnten Gegendruck. »Was ist das?« fragt er.
»Das? Das ist ein Ring.«
Der König hält immer noch Bertrams Hand fest. »Woher hast du diesen Ring, Bertram?«
»Diesen Ring? Den habe ich in Florenz bei einem Juwelier gekauft.«
»Interessant«, sagt der König. »Ich glaube, Bertram, du wirst mir den Namen und die Adresse dieses florentinischen Juweliers verraten müssen.«
»Und wieso?«
»Ich werde Gendarmen nach Florenz schicken müssen, damit sie diesen Mann festnehmen. Dieser Ring gehörte nämlich mir.«
»Ah! Da fällt mir ein«, stammelt Bertram, »stimmt ja gar nicht! Ich habe ihn gefunden.«
»Und wo?«
»Auf der Straße.«
»Solche Ringe, Bertram, pflegen nicht auf der Straße herumzuliegen.«
»Stimmt! Nicht auf der Straße … in einem Gasthaus war’s … ich meine, es war in der Herberge … nein … er lag auf dem Sitz einer Postkutsche, so war’s … oder besser … ich habe ihn beim Spiel gewonnen … nein …«
Da reißt dem König die Geduld, er ruft die Wachen. »Du bist ein Dieb! Und ich habe dich behandelt wie meinen Sohn! Abführen!«
Und ehe Bertram auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung sagen kann, wird er in eine Zelle gestoßen, und er hört, wie der Schlüssel im Schloß umgedreht wird.
Die Sache sieht schlecht aus für Bertram. Das Gerücht, das in Florenz unter den französischen Fremdenlegionären die Runde gemacht hat, nämlich daß Bertram von Roussillons Frau gestorben sei, erreicht inzwischen auch Paris und erreicht das Ohr des Königs.
Eine Gerichtsverhandlung wird am Hof des Königs improvisiert. Bertram wird der Prozeß gemacht, und die Anklage lautet: Mord.
Zeugenbefragung durch den Ankläger: »Du warst Soldat im florentinischen Krieg?«
»Jawoll!«
»Und du kennst Bertram von Roussillon?«
»Jawoll!«
»Und du kennst diesen Ring, den goldenen, silbernen, mit Edelsteinen besetzten?«
»Jawoll!«
»Hat ihn Bertram von Roussillon getragen?«
»Jawoll!«
»Wann?«
»Am Tag, nachdem bekannt wurde, daß seine Frau gestorben ist.«
»Und du warst dabei, als er vom Tod seiner Frau erfuhr?«
»Jawoll!«
»Und wie hat er reagiert?«
»Er schien mir erleichtert.«
Alle, die dabei waren, sagen das gleiche. Niemand findet ein gutes Wort für Bertram. Niemand mag ihn. Im Gerichtssaal sitzt auch seine alte Mutter. Ihr Gesicht zeigt keine Regung. Jeder denkt: Die arme Frau, so eine feine Dame, die so einen feinen Mann gehabt hat, womit hat sie nur so einen Sohn verdient!
Der Vertreter der Anklage hat leichtes Spiel. Alles spricht gegen Bertram, obendrein treten jetzt noch zwei Zeugen auf, die sind extra aus Florenz angereist, eine Mutter mit ihrer Tochter: die Wirtin und Diana.
Diana scheint unbeeindruckt von Richter, Ankläger, Anwalt und Schöffen, schnurstracks
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