Shakespeare erzählt
als seine Frau. – Bertram aber: will nicht.
Bertram übersiedelt allein nach Paris, stellt seine Koffer im Schloß des Königs ab, knackt mit den Fingern, bezieht die prunkvolle Prinzensuite ohne »ah!« und »oh!«, als hätte er sein Leben lang in solchem Luxus verbracht, und steht vom ersten Tag an allen im Weg.
»Wo ist er denn?« fragt Bertram den Diener, der ihm zugeteilt wurde.
»Wer?«
»Er! Mein Ziehvater?«
»Wer?«
»Der König!«
Das hat der Diener noch nie erlebt, daß einer von Seiner Majestät spricht und dabei in die Luft schaut anstatt hinunter zum Boden.
»Seine Majestät können Euch zur Zeit nicht empfangen.«
»Auch recht«, sagt Bertram.
»Seine Majestät ist krank.«
»Dann wünsch ihm gute Besserung!«
Das tut dem Diener weh, daß sich dieser wichtigtuerische Provinzbengel mit keinem Wort nach dem Befinden seines »Ziehvaters« erkundigt.
Ja, der König ist krank. Und wie es aussieht, schwerkrank. Der Hofstaat vom Minister bis zum Pferdeknecht bangt und betet. Die Ärzte konferieren rund um die Uhr, sie stehen vor einem Rätsel. Alles wurde probiert, nichts hat gegriffen.
Der König hat einen starken Willen und ein tapferes Herz. »Ihr müßt mir die Wahrheit sagen!« befiehlt er seinen Ärzten. »Wie wird es mit mir ausgehen?«
»Ihr werdet sterben, Majestät.«
Dem König war ein Nachfolger nicht vergönnt. Seine liebe Frau starb, ohne daß sie ihm ein Kind geboren hatte. Als er zu der Gräfin von Roussillon den Boten sandte mit dem Wunsch, Bertram an Sohnes Statt anzunehmen, stand zuvorderst der Gedanke, dem Sohn des Freundes den Vater zu ersetzen, der Hintergedanke aber war, einen Nachfolger zu adoptieren. Und da bisher immer gegolten hatte, daß der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, erschien ihm ein Sproß aus dem Haus Roussillon ungesehen und ungeprüft die erste Wahl auf diesem Posten.
Der König läßt Bertram an sein Lager rufen.
»Bertram«, sagt er mit schwacher Stimme, »wenn ich sterbe, sollst du das Land regieren. Bist du dazu bereit?«
Bertram zuckt mit den Achseln. »Warum nicht.«
König soll er werden? Diese hohle Nuß! Die Dienerschaft rollt geschlossen die Augen nach oben. Sein Vater hatte hundertmal recht: »Seien wir froh, daß nichts aus ihm wird! Auf welchem Posten auch immer, er würde nur Unheil anrichten.« – An den Posten des Königs hat der alte Roussillon dabei sicher nicht gedacht.
Aber noch ist es nicht soweit. Rettung naht. Rettung für Frankreich und Rettung für den kranken König …
Helena ist ihrem geliebten Bertram nachgereist. Sie hat die Hoffnung nicht nur nicht aufgegeben, sie zweifelt nicht einen Augenblick daran, daß Bertram einst ihr Mann werden wird; vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber irgendwann bestimmt. Es geht ja gar nicht anders, sagt sie sich. Sie hat sich das nämlich ausgerechnet. Sie muß Bertram diese Rechnung nur plausibel machen, dann wird er sich gegen die Heirat nicht mehr wehren. Jedes Ding, so hat Helena ihre Rechnung begonnen, jedes Ding läßt sich in seine Bestandteile zerlegen. Auch die Liebe. Frage: Woraus besteht die Liebe? Antwort: Aus Reizen. Reize, die vom Körper ausgehen, die vom Geist ausgehen, die vom Herzen ausgehen. Helena ist schön. Helena ist klug. Helena hat ein warmes Herz. Das wird Bertram nicht abstreiten können, wenn er sie nur einmal richtig anschaut. Also braucht sie ihn nur zu bitten, sie einmal richtig anzuschauen. – Nein, Helena hat keinen Zweifel. Sie ist verzweifelt, weil alles so lange dauert; aber sie zweifelt nicht, daß es eines Tages geschehen wird.
Helena schleicht sich in den Palast des Königs. Vielleicht läuft mir Bertram zufällig über den Weg, denkt sie, dann kann ich ihm gleich mitten auf dem Korridor meine Rechnung vorlegen, und wir können die Sache ohne unnötige Verzögerung endlich angehen. Merkwürdig still ist es im Schloß. Und leer ist es hier. Selten nur schleicht ein Diener an ihr vorbei, scheint sie nicht zu bemerken, Blick auf den Boden gerichtet. Die Vorhänge sind zugezogen. Keine Musik, nur Seufzer.
»Warum lassen hier alle die Köpfe so hängen?« fragt sie einen Lakaien.
»Der König ist krank.«
»Und woran leidet er?«
»Die Ärzte wissen es nicht.«
»Und wie äußert sich die Krankheit?«
Zufällig ist der Lakai einer aus der unmittelbaren Nähe des Königs, der über die Symptome Bescheid weiß. Und weil Helena so kluge Fragen stellt, kommt ihm gar nicht in den Sinn, diese Fragen nicht zu beantworten.
Am
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