Shakespeare erzählt
es aus Diana heraus: »Er ist schon verheiratet! Einer seiner Kameraden hat es mir erzählt!«
Oh, das kann man mit einer florentinischen Mutter nicht machen! Das nicht! »Wenn das wahr ist«, poltert sie, »wenn das wahr ist! Dann kriegt er einen Tritt in seinen Arsch, und ich schmeiße ihn raus!«
Was ist mit Helena? Sagt sie gar nichts dazu? Sie hat erst nichts sagen können, weil die Empfindungen in ihrem Herzen außer Tritt geraten waren und der Kopf alle Hände voll zu tun hatte, wieder Ordnung zu schaffen. Nun aber hat sie die Sprache wiedergefunden, ihr Verstand arbeitet wie eine Nähmaschine, und blitzschnell ist ein Plan zusammengestickt. Sie betrachtet Diana. Sie hat etwa meine Größe, denkt sie, etwa meine Figur, etwa meine Stimmlage …
»Was ist mit seiner Frau?« fragt sie.
»Die kann einem leid tun!«
»Ich bin seine Frau«, sagt Helena. »Und wenn ich euch leid tue, tröstet mich das.«
Da sind Mutter und Tochter baff. Und Helena tut ihnen wirklich leid.
»Wollt ihr mir helfen, ihm heimzuzahlen, was er mir angetan hat?«
Nichts lieber als das. »Sollen wir ihm heißes Öl in die Hose gießen? Oder ihm Wanzen ins Bett legen? Oder ihm die Augen auskratzen?«
»Du trägst ein schönes Kleid«, sagt Helena zu Diana. »Was kostet es? Ich will es dir abkaufen.«
Dies ist Helenas Plan: Sie will die Wirtstochter spielen und Bertram in der Nacht in Dianas Schlafzimmer erwarten. Nur die Lampe vom Korridor soll ein wenig Schimmer in das Zimmer werfen. Gleich neben der Tür will Helena das rote Kleid über einen Sessel legen. Das genügt.
»Das genügt?«
»Das genügt«, sagt Helena. »Ich werde es euch erklären: Das rote Kleid über dem Sessel enthält zwei Informationen. Erstens: Es ist das Kleid von Diana, also ist Diana im Zimmer. Zweitens: Diana hat das Kleid abgelegt, also liegt sie im Bett und wartet. Diese beiden Informationen werden das Aufkommen von Mißtrauen bei Bertram verhindern.«
Und Helena hat recht.
Es ist Nacht, Bertram schleicht über den Korridor, klopft an Dianas Zimmertür. Er hört ein vielversprechendes »Ja?«, öffnet die Tür, ein Schimmer fällt vom Flur ins Zimmer, Bertram sieht einen Sessel, über dem hängt ein Kleid, eben dieses verführerische rote Kleid mit den Fuchsfellstreifen an den Ärmeln. – Und dann liegt Bertram neben Helena im Bett.
»Nur wenn du mir versprichst, daß du mich heiraten wirst«, sagt sie mit Dianas Stimmchen.
»Muß das sein?«
»Unbedingt.«
»Und wenn ich es nicht verspreche?«
»Dann kannst du wieder gehen.«
»Und wenn ich es verspreche?«
»Dann will ich ein Pfand«, sagt Helena. »Und zwar diesen Ring, den du da am Finger trägst.«
Bertram kann nicht anders, schon zu lange ist er neben dieser Frau gelegen, die so gut riecht und eine so angenehme Wärme ausstrahlt. Helena muß sich gar nicht besonders bemühen, Diana nachzumachen, Bertram merkt nichts. Jetzt hat es doch etwas Gutes gehabt, denkt sie, daß er mich ein Leben lang ignoriert hat, daß er weder auf meine Stimme noch auf meine Hände, noch auf meine Augen geachtet hat. Bertram zieht den Ring vom Finger – es ist sein Ehering. Helena hat ihren, noch bevor er das Zimmer betrat, in ihrem Schmuckkästchen verwahrt. Und er steckt den Ring an Helenas Finger. Und endlich umarmt sie ihn.
Am Ende ihrer Liebesnacht, als es im Osten bereits dämmert, sagt Helena: »Weil wir zwei jetzt so gut wie verheiratet sind, werde auch ich dir ein Pfand geben.« Sie holt einen Ring aus ihrem Schmuckkästchen, aber nicht ihren Ehering, sondern den Ring aus Gold, Silber und Edelsteinen, den ihr der König geschenkt hat, und sie steckt ihn Bertram an den Finger.
Noch einmal umarmen sie sich. Dann verläßt Bertram das Zimmer. Natürlich denkt er nicht daran, dieses Mädchen zu heiraten. Ein Roussillon und eine Wirtstochter! Also bitte! Es war eine rassige Nacht, vielleicht morgen Wiederholung und übermorgen Wiederholung der Wiederholung, und dann zieht das Regiment ohnehin in den Krieg. Dann ist die Sache ohnehin vergessen. Und wer weiß, wohin es einen verschlägt, schöne Mädchen gibt es überall.
Am nächsten Tag verbreitet Helena das Gerücht unter den Soldaten, Bertrams Frau, die er in Paris geehelicht hat, sei gestorben.
Sie beobachtet Bertram, als er die Nachricht erfährt. Da klopft ihr das Herz in der Brust, und sie hofft, er wird weinen, wenigstens eine Träne, eine halbe, ein bißchen glänzende Augen wenigstens. Es ist ja nicht nur darum, weil sie verheiratet sind und
Weitere Kostenlose Bücher