Shakespeare, Katz & Co
Cowboy-und-Cowgirl-Fraktion feiert hingegen mit Begeisterung die Old Western Days, an denen am langen Labour-Day -Wochenende die kleine Stadt den Revolverhelden gehört, die begeistert Empty Creeks weniger bekannte und völlig überbewertete Version der Schießerei am O.K. Corral von 1892 nachspielen. In Wirklichkeit ging es um eine Schießerei in Miller’s Feed Store, in der es, trotz reichlich verbrauchter Munition, nur einen Verletzten gegeben hatte. Bad Bart Brown war vom Dach in einen Pferdetrog gerollt und hatte sich dabei ein Bein gebrochen. Die meisten Augenzeugen waren sich einig, daß Bad Bart zu dem Zeitpunkt betrunken war und keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte. Und, wie Nora Pryor, die bekannte Historikerin in ihrem ausgezeichneten kleinen Buch Empty Creek: A History and Guide schrieb, hatte der Trog der Öffentlichkeit noch einen Dienst erwiesen, da Bad Bart dringend ein Bad nötig gehabt hatte.
Sie hängten ihn trotzdem, nachdem sie ihm einen behelfsmäßigen Gips verpaßt hatten, und alle amüsierten sich prächtig. Das schloß Bad Bart mit ein, der, wieder einmal betrunken, zum Galgen ging und dabei eine derbe Version des Liedes »The girl I left behind« zum besten gab. Anfangs wollten sie es ebenfalls hängen – das Mädchen, das er zurückließ –, aber der Sheriff fand Gefallen an Milly und heiratete die kleine Schlampe schließlich, die ihm im heiligen Stand der Ehe zehn ’Kinder schenkte und einen Kirchenchor gründete. Milly Street, Milly Lane und Milly Park zeugen heute noch von der Stärke ihrer Bekehrung.
Zumindest haben die Arabian Horse Show und die Western Days etwas mit Empty Creeks Pionierzeiten zu tun. Das kann man jedoch nicht von den Frühlingsfestspielen und all denjenigen behaupten, die die meiste Zeit des Jahres damit verbringen, sich hingebungsvoll mit allem Elisabethanischen zu beschäftigen und die Frühlingsriten des guten alten Englands vorzubereiten. Kulisse für diese Feierlichkeiten ist die öde, aber dennoch schöne Wüstenlandschaft und ein nachgebautes englisches Dorf, das von stattlichen Saguaro-Kakteen umgeben ist.
Nun, das ist, wie Zwiddeldei schon richtig bemerkt hatte, ein verrückter Haufen.
Als Penelope zum erstenmal zum Festspielplatz fuhr, kam ihr alles sehr eigenartig vor. Zum einen war es noch viel zu früh am Morgen. Hier war sie nun, um sieben Uhr, also praktisch mitten in der Nacht, und fuhr zum Festspielgelände.
Zum anderen war das zwanzigste Jahrhundert viel zu sichtbar. Die Kondensstreifen eines Flugzeugs durchzogen den blauen Himmel, und in der Ferne bahnte sich ein Zug schnaufend seinen Weg durch die Wüste.
Und obendrein war Penelopes Jeep kaum das richtige Gefährt für Königin Elisabeth. Gott schütze die Königin. Hipp, hipp, hurra! Hipp, hipp, hurra! Hipp, hipp, kotz!
Abgesehen davon war dieses verdammte Mieder viel zu eng.
»Wie sind wir nur da reingeraten, Mikey?«
Obwohl es noch so früh am Morgen war und er diese entwürdigende Halskrause und diesen albernen Umhang trug, schien es Mycroft jedoch gar nicht abwarten zu können. Wahrscheinlich hatte er von den gebratenen Truthahnkeulen gehört, die es dort umsonst gab.
Die Straße war in Abständen mit Schildern markiert.
1995
Natürlich ist es 1995. Was denn sonst?
1895
Also ehrlich.
1795
Penelope fuhr an den Rand der Straße und hielt an. Die Wüste schuf wohl kaum die richtige Atmosphäre für ein elisabethanisches Dorf, das inmitten der grünen Felder des guten alten Englands lag. Saguaro-Kakteen hielten einsam Wache, die Arme zum Himmel emporgestreckt. Penelope schüttelte den Kopf und fuhr weiter.
1695
Wieder hielt Penelope an. Sie schloß die Augen und versuchte, das zwanzigste Jahrhundert zu vertreiben. Der in der Ferne pfeifende Zug zerstörte die Stimmung. Penelope kniff die Augen fest zusammen. Ich bin die Königin. Ich bin die Königin.
Penelope fuhr weiter, und hinter einer Kurve näherten sie sich dem letzten Schild.
1595
Die grünen Felder des guten alten Englands! Hurra!
Mein Gott! Ich fühle mich wirklich wie Königin Elisabeth.
Als Penelope den Jeep in der Nähe des Wohnmobils parkte und über den Zaun vom zwanzigsten Jahrhundert ins sechzehnte starrte, stieg in ihr jedoch Panik hoch. Sie seufzte und kletterte aus dem Jeep. In Begleitung des königlichen Katers, bewaffnet mit einer Flasche Sonnenmilch mit Schutzfaktor 15 und ziemlich eingeschüchtert, schürzte Penelope ihre voluminösen Röcke und ging über die Fußgängerbrücke. Big
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