Shakespeare, Katz & Co
Carolyns ehemaligen Liebhabern zu fragen, aber sexuelle Affären waren bei Tisch nicht ganz das passende Thema. Muffy und Biff, ihre Eltern, die sich schon lange an die Eskapaden ihrer Töchter gewöhnt hatten, würden das nicht billigen, und das zu Recht.
Penelope betrachtete die kleine Gruppe, die um ihren Küchentisch saß. So ohne Kostüme und losgelöst von ihren Rollen, hätte man sie glatt für zwei Paare halten können, die sich zu einem ganz normalen Treffen und einem ruhigen Abend zusammengefunden hatten. Sharon saß dicht neben Bobby, und ihre Augen strahlten, während sie ihn immer wieder ansah und sein trauriges Lächeln erwiderte. Mit seinem angegrauten Bart und dem längeren Haar, lässig mit Jeans und Pullover bekleidet, sah Bobby genau so aus, wie man sich einen Schauspiellehrer vorstellte. Andy war, wie immer, einfach lieb, auch wenn er sich beschwerte, es sei ihm zu kalt, und er sich daher weigerte, den Umhang abzulegen.
Als Andy nach dem Essen die Weingläser auffüllte, sagte Penelope schließlich: »Also gut, was hat es mit Carolyns Besetzungscouch auf sich?«
»Es stimmt. Ich war der letzte in der Reihe der Sir Robert Dudleys.«
»Wer waren Ihre Vorgänger?«
»Der Lord High Mayorund der Lord High Sheriff, um nur zwei zu nennen.«
»Und es gab noch andere?«
»Praktisch jeder am Hof. Wenn sie einen satt hatte, degradierte Carolyn ihn und wandte sich dem nächsten zu. Ich dachte, das würde dieses Jahr auch mit mir passieren, aber Carolyn wollte nichts davon wissen. Dabei wollte ich doch nur ein armer Schauspieler sein, der ein bißchen angibt, und meiner Stunde mit Sharon auf der Bühne entgegenfiebern – «
»Ja, ja«, unterbrach Penelope, »erzählen Sie mir mehr über sich und Carolyn.«
»Ich habe sie nicht umgebracht.«
Penelope nickte. »Das habe ich auch nicht geglaubt, obwohl Sie sich ziemlich verdächtig benommen haben.«
»Ich wollte Carolyn sagen, daß es aus zwischen uns ist, aber dann wurde sie ermordet, und jeder hielt mich für den Täter.«
»Aber er war bei mir«, unterbrach Sharon hastig.
»Trotzdem gab es Gerede, Gerüchte, versteckte Andeutungen.«
»Von wem?« fragte Penelope.
»Dem spanischen Botschafter. Deshalb habe ich ihm auch eine reingehauen. Drake, Bacon, Marlowe, Shakespeare. Ich habe zufällig mitgehört, was sie sagten.«
»Der spanische Botschafter sagte etwas über Heavy metal.«
»Die Musik?«
Penelope nickte.
»Keine Ahnung, was er damit gemeint hat«, sagte Bobby und schüttelte den Kopf. »Und dann habe ich die Iden-des-März-Botschaft bekommen, und ich hatte Angst, daß Sharon vielleicht in Gefahr ist, weil sie mit mir in Verbindung gebracht wird. Also habe ich mich von ihr ferngehalten und bin einfach auf dem Gelände herumspaziert und habe Freunde besucht. Ich habe dafür gesorgt, mit niemandem allein zu sein.«
»Aber Sie konnten sich doch wohl denken, daß Sie niemand bei hellem Tageslicht angreifen würde.«
»Ich habe nicht mehr klar gedacht. Was haben Sie gedacht, als Sie die Warnung fanden?«
»Ich habe etwas unternommen. Discreet Investigations wird die königliche Leibgarde spielen. Sozusagen mein eigener elisabethanischer Geheimdienst. Sie und Sharon werden natürlich auch gleich mitbewacht.«
»Vielleicht«, sagte Andy gedehnt, »vielleicht solltest du die Dinge diesmal der Polizei überlassen, Penelope.«
»Und was haben sie geleistet? Hast du dieses Wochenende einen einzigen Detective bei den Festspielen gesehen?«
»Nun, Dutch war natürlich da.«
»Nur wegen Stormy. Für einen Polizeichef benimmt er sich ziemlich merkwürdig. Das sieht ihm gar nicht ähnlich. Ich frage mich, was da vor sich geht.«
»Ja, Penelope, was geht da nun wirklich vor sich?« fragte Sharon. »Die Festspiele haben immer soviel Spaß gemacht, aber jetzt… was sollen wir tun?«
»Wir werden den Mörder finden«, antwortete Penelope mit einer Überzeugung, die sie nicht wirklich besaß. Wie in Dänemark war etwas faul im Staate der Festspiele.
Wieder allein, kuschelten sich Penelope, Andy und Big Mike auf den Teppich vor dem Kamin.
Wie gebannt schaute Penelope ins Feuer und dachte über Liebe und Beziehungen nach. Zum einen über ihre eigene, was vor allem an den schönen Dingen lag, die Andy anstellte und von denen sie ganz kribbelig wurde. Aber es kamen ihr auch andere Beziehungen in den Sinn. Obwohl sie Carolyn im richtigen Leben nicht gekannt hatte, erinnerte sie sich an die Fotos der allseits beliebten Geschichtslehrerin im Jahrbuch
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