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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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gehn.»
    Jeder von Shakespeares Zuschauern kannte die Furcht, in einem versiegelten Haus eingesperrt zu werden. Doch ist das die einzige Stelle in einem Stück,an der die Pest eine für den Fortgang der Handlung bedeutsame Rolle spielt; auf andere Weise kommt sie nicht auf die Bühne.

    Während des Sommers 1603 schwoll die Zahl der Pesttoten an. Die Krönung fand am 25. Juli statt, der zeremonielle Einzug des Königs in London aber wurde abgesagt.
«29. Juli 1603: Die Ansteckung der Pest verbreitete und verstreute sich an diverse Orte des Reichs, und wird wohl noch weiter zunehmen, wenn nicht durch die Gegenwart und Sorge jener, die unter Unserem Volk im Amt und im Vertrauen stehen, es auf rechtem Weg gehalten wird, zur Vermeidung besagter Krankheit … Wir hielten es für richtig, Uns an alle anderen guten Untertanen dieses Reichs, die unsere Freude sind, zu wenden, und Wir befehlen, dass alle diejenigen, die nicht Unsere bestellten Diener sind, oder nicht auf Unseren oder Unseres Rates ausdrücklichen Befehl an einen Dienst an Unsern Hof oder Rat gebunden sind, unverzüglich in ihre Länder abreisen sollen.»
    Am folgenden Tag erließ Jakob landesweit Pestgesetze, was der Verhängung eines Notstands gleichkam. Diese Gesetze gaben jedem Bürger ausdrückliche Anweisungen, wie er oder sie den Ausbruch der Pest bewältigen sollten, insofern erinnern sie an die Broschüren des Heimatschutzes aus der Zeit des Kalten Krieges. Organisationskomitees sollten sich an sicheren Orten treffen, Menschen bestimmt werden, die Kranke und Tote zählen sollten und Bestattungen durchführen; die Kosten waren mit örtlich zu erhebenden Steuern zu bezahlen. Die Pestgesetze von 1603 enthalten zudem ausführliche Ratschläge, empfahlen geeignete Heilmittel und Stärkungsmittel, was stellenweise verdächtig nach Werbung klingt:
«Für die Armen nehme man Aloes im Gewicht eines Sixpence, in den Brei aus einem Apfel getan; und für die Reicheren Pilles of Rufus , die im Laden jedes Apothekers zu haben sind. Nach einem Aderlass und Purgieren (so es notwendig scheint) ist etwas von den vorgenannten Sirupen zu nehmen.»
    Unwillkürlich fragt man sich, wieviel die Hersteller der Pilles of Rufus dem Drucker wohl gezahlt haben mögen.

    Königliche Proklamation vom 30. Juli 1603. Am Vortag hatte Jakob I. allen, die sich zu den Krönungsfeierlichkeiten versammelt hatten, befohlen, sofort an ihren Wohnort zurückzukehren. Mit diesem Aushang wurden die Pestgesetze und die Verkündung des Notstands vollständig veröffentlicht.
    Die Orders enthielten auch eine Art Pest-Rezeptbuch, mit Hinweisen, wie Rosmarin, Wacholder, Feigen, Sauerampfer, Zimt und Safran aufzukochen sind, um damit eine Vielzahl von Heiltränken zu bereiten. Das erstaunlichste Mittel, das empfohlen wird – allerdings nicht in den Orders –, war ein giftiges neues Kraut aus Virginia, das Sir Walter Raleigh kürzlich bekannt gemacht hatte. Dazu Hazel Forsyth:
«Tabakhändler machten damals ein Riesengeschäft. Es war die Zeit, in der Tabak äußerst populär wurde. Als man mitbekam, dass Menschen eine Art Dunst aus Rauch um sich verbreiten konnten, machten Tabakhändler gute Profite, indem sie den Leuten rieten, parfümierten Tabak zu kaufen, ausdrücklich als Schutz gegen die Pest. Es gab erstaunliche Rezepte zur Pestprävention in Form von Melasse und Schießpulver, die schweißtreibend sein sollten.»
    Ein stärkendes Mittel hätte auch ein aufmunternder Besuch im Theater sein können. Das aber stand nicht zur Verfügung. Die playhouses wurden während der Pestepidemien geschlossen, denn das Unterbinden von Massenversammlungen war eines der wenigen effektiven Mittel, die Sterbezahlen niedrig zu halten.
«8. August 1603: … Und Wir verfügen und mahnen alle Bürger und Bewohner Unserer Stadt London ausdrücklich, dass keiner von ihnen sich zu irgendwelchen Messen und Märkten begibt, die in irgendeinem Teil dieses Reichs abgehalten werden, bis es Gott gefallen wird, die Pest zu beenden, die nun unter ihnen herrscht.»
    Gegen Ende des Sommers waren es nicht mehr nur der König und seine junge Familie, die immer weiter wegzogen von der Hauptstadt. Auch die in London auftretenden Theaterkompagnien machten sich auf in die Provinzen, wobei die Pest Shakespeares Truppe dazu zwang, etwas zu entwickeln, was wir eine Strategie landesweiter Gemeindehilfe nennen könnten. Da sie in London nicht spielen konnten, tourten sie nach Richmond, Bath, Coventry und Shrewsbury, wo sie dann

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