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Shakran

Shakran

Titel: Shakran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Winter
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atmete zischend ein, als der Knochen sich bewegte. Genau über seinem Herzen war ein großer Bluterguss. Sein linkes Bein sah nicht viel besser aus, das Knie war geschwollen und steif. Er sah auf seine Hände. Der linke Mittelfinger war geschwollen, aber so wie es aussah, war er nicht gebrochen. Zwei Blutergüsse zogen sich von seinen Hüften zum Schlüsselbein hoch, Spuren des Fallschirmgurtes. Er würde diesen Sturmritt nie vergessen. Er lächelte. Es war großartig gewesen.
    Dann musterte er sein Gesicht. Wenn man genau hinsah, waren die dunklen Haarwurzeln zu erkennen. Er hatte beide Kontaktlinsen beim Absprung verloren. Sein Gesicht war zerkratzt, die Augäpfel waren von roten Adern durchzogen, und er hatte Schatten unter den Augen. Er beugte sich vorsichtig zur Badewanne hinunter und öffnete die Wasserhähne. Dann stellte er sich wieder vor den Spiegel und schloss die Augen. Es knirschte laut, als er die Rippe zurück an die richtige Stelle drückte. Als er die Augen wieder öffnete, sah er im ersten Moment nur tanzende rote Flecken. Aber die Rippe war wieder da, wo sie sein sollte. Er wartete ein paar Minuten, bis ihm nicht mehr so schwindlig war. Dann nahm er aus einem Fach unter dem Waschbecken einen Spezialverband, der auch nass werden konnte, und wickelte ihn sich straff um die Rippen. Als er fertig war, zitterte er. Die Wanne war mittlerweile voll.
    Mit zusammengepressten Zähnen ließ er sich ins Wasser gleiten. Er hatte drei Stunden Zeit, um sich zu erholen, dann musste er fit sein für den nächsten Job. Er hatte ihn während der Zugfahrt nach Washington erhalten.
    Er runzelte die Stirn. Abgesehen von seiner körperlichen Verfassung, von der seine Auftraggeber nichts ahnten, gefiel ihm einiges nicht. Es war nicht sein üblicher Kontaktmann gewesen, und es war die Eile.
    »So kurzfristig kann ich keine elegante Lösung anbieten«, hatte er eingewandt.
    »Die Lösung muss nicht elegant sein. Diesmal gibt es nur eine Bedingung. Wie die Präsentation auch immer aussieht, unser Kunde muss noch heute Nacht zufriedengestellt werden. Einzelheiten erfahren Sie auf dem üblichen Weg.«
    Er glitt noch tiefer ins Wasser. Das alles hatte noch Zeit.
 
    Er wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war, als er wieder aufwachte, aber das Wasser war schon fast kalt. Doch er fühlte sich nicht mehr so steif wie vorher, das wertete er als gutes Zeichen. Er stieg aus der Wanne, trocknete sich ab, zog einen Morgenmantel an, machte sich Kaffee und schaltete den Computer ein.
    Die Unterlagen waren wie üblich hervorragend aufbereitet. Doch er stutzte, als er die Aufnahmen des Ziels sah. Er war sich sicher, dass er den Mann kannte. Er grübelte, dann zuckte er mit den Schultern. Er hatte nicht das Gefühl, dass der Mann eine Bedrohung war. Er blätterte durch die Bilder und stoppte bei einer älteren Aufnahme. Das Ziel war deutlich jünger, aber es war nicht allein. Ein Familienbild. Das Ziel mit Tochter und Schwiegertochter. Die Tochter war noch ein Baby. Das junge Mädchen, kaum älter als sechzehn, das neben dem Ziel stand, kannte er. Watier lehnte sich zurück und blinzelte einmal, zweimal. Er sah auf das Datum und lachte schallend auf. Sollte einer sagen, die Götter hätten keinen Humor. Er vergrößerte das Bild des jungen Mädchens.
    So traf man sich wieder!
    Sie war es.
    Er rief das Dossier auf. Schusswunden ... schwere Schädelverletzungen ...
    Das kleine Mädchen in der Botschaft in Istanbul, das ihm einen Apfel angeboten hatte, als er vorgab, der Sohn des Gärtners zu sein. Ob sie sich auch noch daran erinnerte? Er bezweifelte es.
    Jetzt war er sich sicher, dass sie ihn schon in Rom gefunden hatte. Kein Zufall. Dass sie auf ihn angesetzt war. Er lehnte sich zurück, ignorierte die schmerzende Rippe und rieb sich die Stirn. Seine langjährige Gegnerin war genauso kaltblütig wie er. Und genauso zäh. Einen Augenblick lang fühlte er etwas Seltsames, wie kalte Finger, die über den Rücken streifen. Viermal hätte sie schon sterben sollen. Bei dem Raketenangriff, bei der Explosion des Wagens in Paris, auf der Klippe, im Flugzeug ... Nein, sie war nicht so gut wie er. Bisher hatte sie einfach nur Glück gehabt.
    Er lächelte. In seiner Kultur war man es gewohnt, in langen Zeiträumen zu denken. Er respektierte ihre Zähigkeit und ihre Ausdauer. Sie war zwar nur eine Frau, aber sie war endlich ein Gegner, den er ernst nehmen konnte.
    Er sah sich in seinem Apartment um und nickte. Er hatte eine Entscheidung

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