Shakran
getroffen.
Es wurde Zeit, dass Mr Watier verschwand.
66
D er Wagen, den er diesmal aus einem Parkhaus abholte, war eine klassische amerikanische Mittelklasselimousine. Er zog seine schwarzen Chirurgenhandschuhe an, öffnete den Kofferraum und die darin befindliche Tasche, warf einen prüfenden Blick hinein und nickte zufrieden. Dann stieg er ein, verließ das Parkhaus und fuhr ein Stück aus Washington hinaus. Irgendwann bog er in eine Seitenstraße ab, ein Stück weiter bog er wieder ab, diesmal auf einen Feldweg.
Watier hielt an, stieg aus und ging einmal langsam um den Wagen herum. Auch so sah er schon wie ein Regierungsfahrzeug aus, dunkelblau, so wenig Chrom wie möglich. Nachdem er die Antennen mit den Magnethaftfüßen aus dem Kofferraum geholt und an dem Wagen angebracht hatte, wirkte er noch mehr wie ein Regierungsfahrzeug.
In der großen Reisetasche im Kofferraum befand sich der Rest seiner Ausrüstung. FBI stand in großen weißen Buchstaben auf der Tasche. Sorgfältig verstaute er seine eigene Kleidung in einer anderen Tasche. Während er die schusssichere Weste anlegte, hoffte er, dass er sie nicht brauchte, die Rippe schmerzte stark, aber er konnte jetzt keine Schmerzmittel nehmen. Die festgeschnallte Weste half ihm sogar ein wenig, sie wirkte wie ein Korsett.
Zu seiner Ausrüstung gehörte eine Waffe mit Schulterholster, eine Glock. Das Holster wurde links getragen, für einen Rechtshänder. Er zögerte, dann legte er das Schulterholster mit der Walther auf der rechten Seite an.
Er überprüfte die Ausweise in seiner neuen, gebraucht aussehenden Brieftasche, testete das Funkgerät, stellte es auf die vorgegebene Frequenz ein und platzierte den Knopf im Ohr. Die Schuhe waren gepflegt, aber gebraucht, gutes, stabiles Schuhwerk, sie rochen leicht nach Desinfektionsmittel.
Wie immer war er von der Vorbereitung seiner Auftraggeber beeindruckt. Eine einfache Uhr, ein Ring, Handy, Manschettenknöpfe. Alles da. Einen Moment lang war er verärgert, als er den Handstaubsauger nicht fand, aber er war da, ganz unten in der Tasche.
Nachdem er sich sorgfältig abgesaugt hatte, überprüfte er die Waffen, einschließlich der Pump-Action-Schrotflinte im Kofferraum. Er nickte zufrieden. Nur noch die Nummernschilder wechseln, dann konnte es losgehen.
67
A nn stand im Bad des Jagdhauses und wischte den beschlagenen Spiegel ab. Zum ersten Mal seit Tagen hatte sie Zeit gefunden, in Ruhe zu baden. Sie musterte sich im Spiegel und dachte dabei an den Tag zurück, an dem sie aus Rom zurückgekommen war. Langsam fuhr sie mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Jetzt, wo sie ihr Gedächtnis zurückhatte, suchte sie in ihrem Spiegelbild nach Juliet. Aber nur die Augen und das Kinn, für ihren Geschmack schon immer zu kantig, waren Juliet. Es war Ann, die ihr aus dem Spiegel entgegensah.
Sie wirkte müde und erschöpft.
Sie schloss die Augen und stützte sich auf dem Waschbeckenrand ab. Hätte sie gewusst, was sie finden würde, hätte sie weitergesucht?
Ja. Aber nur aus einem Grund: Nasreen und Admiral Norman. Das Gesicht eines jungen Mannes tauchte in ihren Gedanken auf. Charles. Mein Gott, das alles war so lange her! Damals waren sie beide so furchtbar jung gewesen. Und Charles ... Er hatte nie die Chance gehabt, erwachsen zu werden. Aber sie hatte eine Tochter, die fast schon erwachsen war und die mit einer Lüge aufwuchs. Für Ann war es kaum zu begreifen, dass sie, Juliet, damals so weit gegangen war.
Sie konnte sich daran erinnern, mit welcher Besessenheit Juliet Shakran gejagt hatte, aber das war alles weit weg für sie und fremd. Wenn das hier vorbei war, dann würde sie mit Freuden nach Villiamsburg zurückkehren.
Der Mensch habe Schwierigkeiten, sich selbst in die Augen zu sehen, hieß es. Jetzt verstand sie es.
Wieder hörte sie Marks vorwurfsvolle Worte. Fanatisch war das Wort, das Norman gebraucht hatte. Sie hob die Hand und wischte die Tränen weg.
Dafür ist jetzt keine Zeit, hörte sie Juliet sagen. Zum ersten Mal klang es nicht hart und fordernd, sondern verständnisvoll. Und jetzt war es Juliet, die ihr aus dem Spiegel entgegensah. Nicht mehr lange, dann kann ich gehen. Dann brauchst du mich nicht mehr.
Ann lehnte die Stirn gegen den kalten Spiegel. War sie schizophren? Vielleicht.
Es klopfte an der Badezimmertür.
»Ann?« Es war Mark.
Sie richtete sich auf. »Was ist?«
»Alles in Ordnung?«
»Ja, warum?«
»Du bist schon so lange da drin. Abgesehen davon solltest du dir mal
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