Shaman Bond 04 - Liebesgrüsse aus der Hölle
Harry, sah mich nachdenklich aus seinem Sessel an, der links neben der Matriarchin stand. Harry war immer gern so nah wie möglich an der Macht. Genau genommen hatte er sogar einmal die Familie geleitet und war dabei ganz schön gegen die Wand gefahren. Er war an sich ein recht guter Agent, aber das war für ihn immer nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Harry glaubte viel mehr an Harry als an die Droods selbst. Dennoch, stellte man ihn ohne Ausweg mit dem Rücken zur Wand, war er durchaus so mutig und heroisch wie nötig. Sein Vater war immerhin Onkel James, der legendäre Graue Fuchs. Vielleicht der größte Drood, der jemals gelebt hatte. Harry lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wippte auf den Hinterbeinen des Sessels vor und zurück, als er mich still durch seine eulenartige Brille, ein Drahtgestell, betrachtete. Er hatte natürlich schon von dem Debakel beim Magnificat und dem Verlust der Apokalyptischen Tür gehört und konnte es kaum erwarten, mich mit allen unglücklichen Details zu piesacken, während er überlegte, wie er das alles zu seinem Vorteil nutzen konnte. Weil er das immer tat.
»Es wäre wirklich toll, wenn du nur einmal nach einer Mission mit guten Nachrichten ankämst, Edwin«, sagte Harry ruhig.
»Die eine oder andere Schlacht kann man schon mal verlieren, solange man den Krieg gewinnt«, sagte ich und wich dabei seinem Blick nicht aus.
»Wenn du nur genügend Schlachten verlierst, wirst du auch den Krieg verlieren«, sagte Harry prompt.
»Soll ich dir mal da rüberkommen?«, fragte ich. »Ich würde da gern was Nützliches ausprobieren!«
»Edwin!«, unterbrach die Matriarchin scharf.
»Es wird keine Gewalt in dieser Kammer geben, es sei denn, ich beginne damit«, sagte das letzte Mitglied des Ratszirkels: der Seneschall. Er saß aufmerksam in seinem Stuhl: ein großer, widerlich brutal aussehender Mann mit einem Gesicht wie einer Faust und Muskeln auf seinen Muskeln. »Plötzliche und unerwartete Bestrafungen sind mein Metier. Also setz dich auf deinen Platz, Edwin, bevor ich es für notwendig halte, dich zu disziplinieren.«
»Das würde ich gerne sehen, Cedric«, sagte ich, als ich mich selbst ans Ende des Tischs setzte, der Matriarchin direkt gegenüber. »Das würde ich wirklich. Aus dem letzten Seneschall hab ich die Scheiße rausgeprügelt, und er war dir Jahre an Bösartigkeit voraus.«
»Ja«, erwiderte der Seneschall. »Aber ich bin hinterfotziger.«
Ich schätzte, dass es unentschieden stand, aber für den Fall der Fälle wechselte ich das Thema. »Wo ist William? Er ist immer noch Teil des Rats, oder? Sicher brauchen wir den Bibliothekar hier, wenn wir die Wichtigkeit der Apokalyptischen Tür besprechen?«
»William lebt nach wie vor die meiste Zeit in seiner eigenen Welt«, sagte die Matriarchin bedauernd. »Ich hatte gehofft, dass ihm das Leben in der alten Bibliothek, weitab vom Druck des Familienlebens, helfen würde, sich einzugewöhnen und geistig zu stabilisieren, aber ich kann wirklich nicht guten Gewissens behaupten, dass ich Anzeichen einer Verbesserung gesehen habe.«
»Der Bibliothekar ist durchgeknallt«, meinte Harry. »Verrückter denn je, wenn nicht noch schlimmer. Er erscheint als spirituelle Projektion im Zirkel und besteht darauf, dass Rafe, sein Assistent, als sein Vorkoster fungiert. Er quatscht ständig von irgendetwas Unsichtbarem, das mit ihm in der Alten Bibliothek haust und seine Socken stiehlt. Es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass wir ihn in Rente schicken und Rafe als Bibliothekar einsetzen.«
»William ist selbst verrückt ein besserer Archivar als die meisten anderen, die normal sind«, sagte der Waffenmeister stur. »Es ist erstaunlich, wie viel dieser Mann weiß, wenn er sich daran erinnert. Keiner kennt die alte Bibliothek so gut wie er. Aber er ist dieser Tage nur ein Teilzeitmitglied des Rats, Eddie. Wir waren gezwungen, neue Mitglieder aufzunehmen.«
»Frisches Blut«, sagte Harry mit viel zu viel Gusto in der Stimme.
»Howard ist jetzt schon seit einiger Zeit für die Missionskoordination zuständig«, warf die Matriarchin ein. »Und er macht einen hervorragenden Job. Okay, er ist unerträglich arrogant, und man genießt seine Gesellschaft am besten in ganz kleinen Portionen, aber er ist sehr gut darin, über den Tellerrand hinauszuschauen. Wir können immer darauf bestehen, dass er neben dem Seneschall sitzt, und diesen mit einem TASER ausstatten. Vielleicht sorgt das Bewusstsein, ein Teil des Zirkels zu sein, dafür, dass
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