Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
öffne mein Fenster einen Spalt, woraufhin alle blauen Rauchfahnen direkt an meinem Gesicht vorbeiziehen, was Anna-Louise ein klein wenig Befriedigung verschafft. »Ich freue mich vielleicht auf so 'n richtiges Paukstündchen heute«, sage ich.
    Was mit einem knappen Zug an der Zigarette erwidert wird.
    »Sag mal, ist das da in deiner Tüte ein ›New Yorker‹? Du solltest ihn gut sichtbar tragen - so erkennen Fremde dein anspruchsvolles Niveau.«
    »Ich bete in aller Heimlichkeit, danke, Dan.«
    »Anna, warum bist du heute so launisch zu mir?« frage ich. »Warum benimmst du dich so gereizt? Habe ich dir was getan?«
    Ein Schnauben ist die Antwort. Ich muß an den uralten Witz denken, bei dem eines Morgens die Ehefrau aufwacht und ihrem Mann eine runterhaut für etwas Böses, das er in ihrem Traum getan hat - die Pointe dabei: wir wissen im Grunde unseres Herzens, daß der Ehemann im wirklichen Leben wahrscheinlich eines gleichwertigen Verbrechens schuldig ist.
    »Tyler, was weiß ich von dir?«
    »Hä?«
    »Oh, halt den Mund. Ich glaube, ich kenne dich überhaupt nicht wirklich. Ich meine, ich kenne dich bis zu einem gewissen Grade, aber tiefer geht's dann auch nicht. Es gibt da einen Punkt, an dem alles Kennen aufhört - und über den hinaus du mich nicht vorläßt. Das ist eine Beleidigung für mich.«
    Hmmm. Ich frage mich, ob Leute, die dich beschuldigen, du würdest nicht genug von dir offenbaren, nicht gerade diejenigen sind, die nichts von sich preisgeben. »Du bist echt paranoid, Anna-Louise.«
    »Hör auf, Tyler. Verschone mich bloß damit.«
    Die Innenstadt von Lancaster ist wegen der am Boden liegenden Leitungen ohne Elektrizität. Der Verkehr bewegt sich ruckelnd und zuckelnd über ampellose Kreuzungen, und der Stau verstärkt noch das nervöse Naturell des Comfortmobiles.
    »Heute morgen ging ich vor der Arbeit zu dir hinüber«, sagt Anna-Louise mit flacher Stimme und desinteressiert dem Postamt und meinem Stammwaschsalon (gestärkte und gebügelte Hemden für 99 Cents pro Stück) zugewandtem Gesicht, »und du warst schon auf dem Weg zum Einkaufszentrum. Ich kam gerade vom Aerobic-Unterricht zurück und wollte kurz einen Schal vorbeibringen, den ich wie das allerletzte Fischweib für dich gestrickt hatte. Deine Mutter und ich tranken zusammen eine Tasse Kaffee. Als ich nach Hause gehen wollte, fiel eine Postkarte für dich durch den Türschlitz. Aus Neuseeland.« »Oh.«
    Meine Kreditwürdigkeit schrumpft dahin. Mir pocht das Blut in den Ohren, und meine Stirn beginnt zu dröhnen. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich fühle mich wie in einem Film, in dem eine alltägliche Szene gezeigt wird, wie etwa ein Ehepaar beim Frühstück, und plötzlich gibt einer der beiden blubbernde Blasen von sich und dir wird klar, daß die ganze Szene unter Wasser spielt.
    »Hast du ehrlich gedacht, ich würde es nicht herausfinden, Tyler? Ich meine, für wie blöd hältst du mich?«
    Die Zeit bricht zusammen.
    Wir stehen vor Anna-Louises Haus in der Franklin Street. Ich bringe kein Wort heraus und starre unverwandt auf die Mitte des Lenkrads.
    »Anna-Louise, es war nur ein Urlaubsflirt. Ich weiß nicht, warum sie hier ist...«
    »Und du glaubst, ich wüßte nicht, daß es nur ein Flirt war? Und das konntest du mir nicht einfach erzählen - offen heraus? Ich meine, ich hätte es verstanden. Statt dessen servierst du mir diese Freunde-von-Kiwi-Scheiße.«
    Anna-Louise öffnet die Tür, dreht ihren Oberkörper herum, schwingt die Beine durch die Tür und drückt ihre Zigarette aus.
    »Du bist ein Schwächling, Tyler. Ein Schwächling, ein Schwächling. Und weißt du was? Ich hatte immer gehört, daß Typen bescheuert sind, aber von dir habe ich das nicht geglaubt. Aber ich schätze, jetzt tue ich es.« Sie steigt aus. »Ich gehe jetzt. Danke fürs Heimfahren. Entschuldigung - merci beaucoup.«
    Sie stolziert die Auffahrt hinauf, betritt die Dekompressionskammer, und alles ist so plötzlich vorbei, wie wenn du als Kind eine Halloween-Wunderkerze in der Hand hieltest und glaubtest, die Flamme würde für alle Zeiten sprühen, und es nicht fassen konntest, daß das zarte weiße Licht so abrupt verlosch.
     
    Ich stelle den Motor ab, kurbele mein Fenster herunter, lehne mich zurück und ergebe mich der Aussicht. Ein junger Drogenfreak aus der Free Clinic kreist um eine Telefonzelle wie ein Hund einen anderen unbekannten Hund umkreist. Er dreht sich um, und sein Blick kreuzt meinen, woraufhin er ein V-Zeichen zu mir

Weitere Kostenlose Bücher