Shampoo Planet
herüberblitzt.
Ich denke an eine aufprallende 747er, an tausend Sauerstoffmasken, die von der Decke herabfallen.
Ich erwidere das V-Zeichen.
34
Ziellos kurve ich ein paar Stunden lang umher, in der vagen Hoffnung, ich könnte Stephanie erspähen. Ich fahre zurück nach Hause, inmitten der Dunkelheit des anhaltenden Stromausfalls. Die Straße und die Zufahrtsstraßen sind völlig verstopft. Was bedeutet dieses Gedränge - hat etwa ein Asteroid das Dach durchbrochen? Bluten die Küchenwände? Und wenn ja, wo genau steckt dann das Kanal-Sechs-Nachrichten-Team? An der einen Seite des Hauses entdecke ich Betty, den parkenden Wohnwagen meiner Großeltern, unbeirrt, selbstzufrieden und barsch, wie eine rüpelhafte Frau in einem Restaurant, die eine Schimpftirade auf die Kellnerin losläßt, wie ein Schwein ißt und nur geduldet wird, weil sie eigentlich nichts Rechtswidriges tut.
Als ich im Haus bin, klärt sich die Frage des Autoauflaufs. Großmama und Großpapa halten eine KittyWhip-Verkaufskonferenz im Wohnzimmer ab - jetzt ein Tableau kerzenbeleuchteter Verwahrlosung mit quer über den Teppichboden und über schlaffe Hippie-Sofas gesprayten Körpern. Das Publikum ist in einem Halbkreis um Zeremonien- und Thronmeister Großvater gruppiert, dessen Stuhl aus Stöcken von einem Biberdamm angefertigt wurde (diese ewig erfindungsreichen Hippies!). Vor ihm steht ein Podium, bezogen mit indigoblauem Samt, auf dem die gesamte Produktkette des KittyWhip-Kat-Food-Systems aufgebaut ist.
Stephanie befindet sich unter den Körpern, ebenso wie Daisy, Murray, Skye, Mei-Lin, Pony, Davidson, Mrs. Dufresne, Eddie (er ist wieder da), Joann und ungefähr zwanzig andere, deren verzückte Augäpfel getreu der Comic-Tradition durch das Dollarzeichen $ ersetzt wurden.
Kittykat und ihr Kumpel Rice - der schielende siamesische Eunuch von nebenan - schleichen um Großvaters Thron in sehnlichster Erwartung baldiger Leckerbissen. Wo sind die angepflockten Ziegen? Wo das Opium? Die Szene ist einfach deprimierend. Verwahrlosung ist völlig out. Ich nehme an, das ist genau das, was der fehlende Strom bedeutet - unmittelbares finsteres Mittelalter - zieh einfach den Stecker raus. Versorg mich jeden Wochentag mit Metall, Proteinkapseln und Radium. Unsere Erfindungen sind es, die uns aus dem Sumpf heraushalten.
Ich gehe in die Küche und Jasmine folgt mir. Unwirsch frage ich sie, warum Dan angerufen hat, als ich am Morgen gerade zum Einkaufszentrum aufbrechen wollte.
»Seht. Später«, erwidert sie. »Ich wollte dir nur sagen,
Mama und Paps haben ihr Haus verloren, deshalb werden sie für die nächsten Monate Betty bewohnen. Sei bitte nett zu ihnen, okay? Komm rein und sieh dir die Vorstellung an. Hey? Alles in Ordnung mit dir?« »Mir geht's gut.«
»Das ist nicht wahr.« Sie kneift die Augen zusammen. »Anna-Louise hat's rausgekriegt, stimmt's?« »Ja.«
»Oh, Schätzchen. Wir sprechen darüber nach der Zusammenkunft.« Sie streichelt mir über die Schulter. »Iß einen Keks, okay? Schokolade, kein Johannisbrot heute. Wahrscheinlich werde ich jetzt völlig dekadent.«
»Wie war deine Verabredung mit Mr. Software?«
»Gräßlich.«
Sie geht wieder ins Wohnzimmer, gerade als Jim Jarvis und seine Frau Lorraine unter Applaus zum Podium gehen, um sich eine Probepresse KittyPump zu holen. Dieser Akt ist ihre rituelle Indoktrination in die nahtlose, hypnotische und selbstbezogene Welt zu Hause stattfindender Haustierfutter-Parties. Und an Arbeit denkt wohl keiner mehr?
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Jim Jarvis ist der Inbegriff eines Lancaster-Bürgers der Neuen Ordnung. Vor dem Kollaps der Anlagen (sowie Jims Karriereambitionen) bewohnten Jim - ein kurz angebundener, umtriebiger Eiskalt-Yuppie - und seine Yuppess Lorraine in den Außenbezirken der Stadt ein Monsterhaus mit vielleicht einem Fenster und der größten Satellitenschüssel von Benton County, was sage ich, von Washington State, aufs Dach gepfropft wie ein vom Wind verwehtes Cocktailschirmchen. Jetzt wohnen sie in einem witterungsresistenten Verschlag abseits der Route 666.
Jim war Pechblendenmakler und trieb sich während seiner Karriere überall auf dem Globus herum - Gabun, Saskatchewan, Namibia, Queensland -, stets auf der Suche nach diesem exotischen Erz. Jetzt bieten Lorraine und er KittyWhip feil.
Jim war auch ein Freund von Dan, damals als Jim auf dem Markt für erschlossene Grundstücke, die Dan verkaufte, mithielt. Jetzt sind sie beide arm und reden wahrscheinlich überhaupt nicht
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